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Führen der Generation Y: Was wir von den Skandinaviern lernen können

Mannheim – Und auf einmal ist sie da: eine Generation junger, meist sehr gut ausgebildeter Arbeitskräfte, die den Arbeitsmarkt revolutioniert. Die Generation Y stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Flache Hierarchien sind gefragt. Selbstbestimmung dominieren das Privat- und Berufsleben. Ohne Mitsprache geht nichts. Die Millennials wollen mitreden, Ideen einbringen, sich selbst führen. Vor allem konventionelle Firmen müssen ihre Führungskultur überdenken, wenn sie junge Fachkräfte gewinnen – und langfristig halten wollen. Doch so schwer ist es gar nicht, diese Generation von Idealisten zu führen: Die Skandinavier machen es schließlich schon seit Jahrzehnten erfolgreich vor.

Von denen hat auch Berit Moßbrugger gelernt. Die 35-jährige Geschäftsführerin der Weiterbildungssuchmaschine kursfinder.de gehört nicht nur selbst der Generation Y an. Sie führt in den Mannheimer Quadraten ein Team, das nahezu ausschließlich aus Millennials besteht. Als Teil der Educations Media Group (EMG) mit Hauptsitz in Stockholm hat die kursfinder.de-Chefin die schwedische Führungskultur am eigenen Leib erfahren und sich einiges davon abschauen können. Einfach war das anfangs nicht.

Führen der Generation Y: Was wir von den Skandinaviern lernen können
Quelle: kursfinder GmbH

Preußische Werte treffen auf Regellosigkeit

“Ich bin in der ehemaligen DDR halb groß geworden und bringe – stark von Großvätern geprägt – einige preußische Ansichten und Werte mit”, erklärt die Wirtschaftsingenieurin. Mit diesen kam sie in Schweden nicht weit, als es darum ging kursfinder.de zu launchen. Dort angekommen “war ich absolut deutsch”, erinnert sie sich, wie sie mit Business- und Actionplan, Excel-Liste und einer ordentlichen Portion Kampfgeist zunächst als Einzelkämpfer in Meetings ohne sichtbare Strukturen und Regeln teilnahm. Wertungen, Erwartungen, Guidelines? Fehlanzeige. Die gab es nicht. Dafür gab es anderes, für Berit Moßbrugger Ungewohntes. Mit dem Vorgesetzten über dessen Führungsstil sprechen? Niemals. Das gehört sich nicht. Kritik äußern und offen mit dem Chef über das Arbeitsverhältnis mit den Kollegen plaudern? Undenkbar. “Im ersten Jahr konnte ich gar nicht damit umgehen, dass mir mein Manager auf Augenhöhe gegenübersitzt”, gesteht Moßbrugger.

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Den Schweden werden diese flachen Hierarchien in die Wiege gelegt. Weder sind ihnen diese bewusst, noch sind sie für die Skandinavier etwas Besonderes. Der Schwede folgt von Kindesbeinen an dem sogenannten Jante-Gesetz: Niemand soll sich über andere erheben. Es gilt ein faires Miteinander. Ein Volk von Gleichen unter Gleichen. Die soziale Stellung macht keinen Unterschied. “Statussymbole und Aufplustern sind tabu. So wird der eitle Gockel im Vertrieb nicht hofiert, sondern behandelt wie jeder andere. So sprechen schwedische Mitarbeiter mit ihrem Chef genauso wie mit ihren Kollegen”, veranschaulicht Berit Moßbrugger und zieht damit eine Parallele zu der Generation Y: Das starke Selbstbewusstsein der Millennials, deren hohe Informiertheit und deren generelle Skepsis bedingen eine veränderte Sicht auf Machtinhaber und die Abkehr von Hierarchien. “Wird ein Schwede zur Führungskraft befördert, empfindet er – anders als hier bei uns – vor allem Verantwortung anstatt Stolz”, erläutert die 35-Jährige. Denn ein skandinavischer Chef gewinne durch seine Position nicht automatisch an Ansehen, sondern in erster Linie an Aufgaben und Verantwortung.

“Team zählt mehr als Performance”

Aus der anfänglichen Einzelkämpferin Berit Moßbrugger ist inzwischen ein echter Teamplayer geworden. Die GenY bringt eine starke Gemeinschaftsorientierung mit – der Schwede lehnt seit jeher egozentrisches, nicht-teamorientiertes Verhalten ab. “Team zählt in Schweden mehr als Performance, während in anderen Kulturen die Top-Performer häufig Narrenfreiheit genießen”, weiß die kursfinder.de-Chefin.

Warum ist der Schwede so? Die Bevölkerungsdichte in Skandinavien ist gering. Und man sagt: Jeder Schwede hat in seinem Stammbaum mindestens eine Generation Landwirte. Was wird man also, wenn man alleine auf dem Land lebt, der nächste Nachbar ein paar Kilometer entfernt? Generalist! “Jeder muss alles ein bisschen können, aber nichts perfekt. Perfektionismus lohnt sich nicht und dafür ist auch keine Zeit, denn das nächste Problem wartet schon”, beschreibt Berit Moßbrugger. Mit dem Nachbarn sollte man sich trotzdem gut stellen – wer sonst kann einem helfen, wenn sich ein Problem nicht alleine lösen lässt?

Doch nicht nur der Gemeinschaftssinn zählt. Es gibt in Skandinavien kein Richtig und kein Falsch, kein Schwarz und Weiß. Es gibt eine große Grauzone. Die Generation Y hinterfragt alles, Ambivalenz ist die Stärke der Schweden: Alles hat zwei Seiten. Daher gibt es Spielraum zum Ausprobieren, Fehler dürfen gemacht und aus ihnen darf gelernt werden. Der Skandinavier verurteilt diese Fehler nicht. Es war ein innovativer Versuch, der nicht funktioniert hat. Generalist eben. “Der schwedische Chef ist unaufgeregt und ruhig. Er fragt viel, hört zu – ist von Natur aus ein guter Coach. Der Konsens liegt in seiner Natur”, veranschaulicht Berit Moßbrugger, “das schafft Vertrauen und die nötige Sicherheit.” Und genau die braucht die Generation Y. Unbegrenzte Möglichkeiten, all die Flexibilität, das ständige Hinterfragen – das schafft Unsicherheit, die Feedback und Rückmeldung bedarf.

Mix beider Führungskulturen führt zum Erfolg

Berit Moßbrugger setzt in ihrem Millennials-Team bei kursfinder.de jedoch nicht ausschließlich auf schwedische Manier. Sie versucht das Beste beider Nationen im Berufsalltag zu vereinen. Einerseits versucht sie auf skandinavische Art den Halo-Effekt zu ignorieren, als Chefin auf Statussymbole zu verzichten und das Gemeinwohl zu promoten, während sie sich der Tatsache bewusst ist, dass ihre Sicht auf die Dinge genauso richtig oder falsch ist wie die ihres Gegenübers. Andererseits vertraut sie auf die klare Kommunikation der deutschen Firmenkultur dort, wo sie einen Mehrwert hat, auf den Idealismus als Vision und eine umsichtige Planung – immer im richtigen Maß. Denn damit lässt sie sich leiten: die Generation junger, meist sehr gut ausgebildeter Arbeitskräfte, die den Arbeitsmarkt auf den Kopf stellt. Die Generation Y.

Quelle: kursfinder GmbH

Veröffentlicht von:

Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou ist Mitglied in der MiNa-Redaktion und schreibt über Wirtschaftsverbände, Macher im Mittelstand, Produkte + Dienstleistungen, Digitale Wirtschaft und Familienunternehmer.
Mail: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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