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Elektromobilität: Benzinfreies Auto aus Brandenburg

Die Firma Jetcar aus Neuruppin will den Pkw-Markt mit einem Elektromobil umkrempeln

Neuruppin/Berlin. Vielleicht liegt die Zukunft der deutschen Sportwagenindustrie auf einem Dreiseit-Hof im brandenburgischen Neuruppin. Jetcar hat die gleichnamige kleine Firma ihr futuristisches Elektro-Auto getauft, das dieser Tage in Serie gehen soll. Noch werden umweltbewusste Interessenten gesucht. Denn Idealismus müssen Käufer schon mitbringen – 84 000 Euro kostet der Pkw.


«Allein die Batterie schlägt mit 20 000 Euro zu Buche», sagte Geschäftsführer Christian Wenger-Rosenau. «Dafür ist sie langlebig und erhitzt sich nicht. Die ‘Tankfüllung’ für eine Tour à 200 Kilometer kostet sechs Euro.»

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Wenger-Rosenau ist kein Autohändler, er ist ein Tüftler. Bescheiden erläutert er technische Details und warum seine Neun-Mann-Firma auf das schnelle Geld verzichtet. Von geldschweren Partnern hält er nichts. «Wir möchten unabhängig bleiben und unsere Ideen weiter verfolgen.» Nicht einmal einen Bankkredit für das Jetcar hat er aufgenommen. Wenger ist vor allem Idealist und «Öko». Den Lebensunterhalt bestreitet er mit Windrädern und der Planung von Windparks.

Schon oft hätte der zweifache Familienvater nach eigenen Angaben seine Innovationen an Große der Branche veräußern können. Da war 2000 das Ur-Jetcar, ein Dieselauto, das mit 2,2 Litern auf 100 Kilometern auskam. Seit 2009 nun ist das E-Mobil serienreif. Mit dem Prototyp fährt Wenger-Rosenau regelmäßig selbst, den «Saft» bezieht er nur aus windgeneriertem Strom.

Wer den Eigenbrötler verstehen will, muss sich mit seiner Biografie befassen. In Brandenburg aufgewachsen zählte er zu jenen typischen Motorrad-Bastlern, die der chronischen DDR-Mangelwirtschaft mit Kreativität begegneten. Ersatzteile wurden selbst gefeilt, Verkleidungen aus Kunststoff in Handarbeit geformt.

Später studierte Wenger-Rosenau in Dresden und erwarb sein Diplom im sozialen Bereich. Es folgte eine Zeit als Entwicklungshelfer in der Südsee. «Ich möchte meinen Kindern eine saubere Welt hinterlassen», sagt er mit einem Ernst, der keinen Zweifel an der Haltung und den ernsthaften Absichten aufkommen lässt.

Ohne Jesuslatschen, Jutebeutel oder Rauschebart, dafür aber mit einem Kopf voller Ideen machte sich Wenger mit seinem Bruder auf die Suche nach patenten Ingenieuren. Gemeinsam mit diesen Tüftlern verfährt er nach dem Prinzip learning by doing. «Das spart eine teure Entwicklungsabteilung» – seiner Ansicht nach eine der Ursachen, warum die Autokonzerne zwar E-Mobil-Testflotten durch die Städte schicken, aber keine wirkliche Serienfertigung starten.

Bevor Wenger zur Testfahrt einlädt, öffnet er noch schnell die Tore einer Garage. In der Werkstatt steht die Hülle des ersten Serien-Jetcars – aus Hunderten einzelnen Kunststofflagen gefertigt wie einst die Motorradverkleidungen. Die beiden hintereinander angeordneten Sitze stammen vom Smart, die schnittige Karosse bestand seine Tests in einem Windkanal der VW-Stadt Wolfsburg.

Auch die Fahr-Eigenschaften des Jetcar lassen nichts zu wünschen übrig. Es schnurrt lautlos über die – zum Teil noch unbefestigten – Straßen von Neuruppin-Nietwerder. Auch wenn die Platzverhältnisse im Kabinenroller gewöhnungsbedürftig sind, ist das Handling gut, der PKW «zieht» wie ein Markenauto. Kleine Instrumente zeigen die Ladekapazität an, beispielsweise wenn beim Bremsen Energie zurückgeführt wird.

Der Wagen regelt bei einer Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern ab. Einmal Aufladen dauert bis zu vier Stunden, 80 Prozent stehen nach zwei Stunden zur Verfügung. Im Sommer soll das Jetcar 80 Tage um die Welt reisen und dabei mit anderen E-Mobilen auch zur Expo in Shanghai rollen.

Daheim im Dorf kennt man die Aktivitäten von Jetcar gut, das Auto gehört inzwischen zum Alltagsbild. Konkurrenz durch das E-Auto fürchtet allerdings nicht einmal die örtliche Kfz-Werkstatt. «Eh’ sich das wirklich durchsetzt, bin ich in Rente», sagt eine Mitarbeiterin.

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