Politik

Schauspieler laufen auf Boden aus Wertheim

Wertheim (dapd-bwb). Das schrille Geräusch einer Säge erfüllt die Halle. Männer mit Ohrenschützern eilen zwischen aufgestapelten Holzlatten umher. Es ist Sommeranfang, Hochsaison bei Bühnenbau Wertheim. Der kleine Betrieb im Norden Baden-Württembergs, 40 Kilometer von Würzburg entfernt, stattet die großen Bühnen aus. Seine Böden werden unter anderem in der Semperoper Dresden, im Deutschen Theater Berlin oder im Finnischen Nationaltheater in Helsinki verwendet. Auch die Elbphilharmonie in Hamburg statten die Wertheimer aus, sobald die Bauarbeiten dort wieder vorangehen.

Jedes Jahr, wenn die Sommerpause in den Häusern anfängt, bekommen die Geschäftsführer Kai-Uwe und Hermann Patz und ihre etwa 30 Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. “Im Jahr arbeiten wir auf etwa 80 bis 90 Bühnen”, sagt der 46-jährige Kai-Uwe Patz. Die Hälfte davon werde im Sommer abgearbeitet. Seine Leute erhalten in der Zeit Urlaubssperre und verlegen, was das Zeug hält. Saisonarbeiter helfen nicht, lediglich ein paar selbstständige Schreiner beschäftigt das Unternehmen in der Zeit.

Der Betrieb, den er gleichberechtigt mit seinem Vater Hermann führt, ist idyllisch gelegen. Der rote Fels eines alten Steinbruchs reckt sich über die Gebäude. Zur Straße hin werden sie von Bäumen verdeckt. Hermann Patz war Prokurist für eine Firma, die auf den Innenausbau mit Holz spezialisiert war und 1984 in Konkurs ging. Direkt im Anschluss machte er aus der damaligen Zweigstelle im Süden seine eigene Firma auf: Bühnenbau Wertheim war geboren und konnte bis auf einen auch alle anstehenden Aufträge der Vorgängerfirma übernehmen. Noch immer führt der 73-Jährige mit seinem Sohn die Geschäfte. Der sagt über ihn: “Wenn er aussteigen würde, würde er sehr fehlen.”

Dielen werden kaum noch verbaut

Seit den Firmenanfängen hat sich viel getan. Das Unternehmen hat seine Produkte immer weiter verbessert und neue eingeführt. “Die Diele hat mit der Dreischicht-Platte einen Nachfolger gefunden”, erzählt Kai-Uwe Patz. Die Diele werde eigentlich nur noch in kleineren Theatern verbaut.

Der Vorteil der Platten, die aus drei unterschiedlich dichten Schichten Holz besteht, sei zum einen die größere Materialausbeute. Denn das Unternehmen misst die Dichte des Holzes und ordnet es in drei verschiedene Klassen ein. Nur das dichteste ist als oberste Schicht geeignet, darunter kommen einfachere Hölzer, die zu hochwertigen Sperrholzplatten verarbeitet werden.

Zudem halten die Platten mehr aus, punktuelle Lasten bis zu einer Tonne sind möglich. “Wenn Sie über eine Diele mit einem Stapler fahren, bricht die Ihnen weg”, sagt Patz. Mit im Angebot hat die Firma inzwischen auch ein selbst entwickeltes Klebeband, das sich ohne Rückstände entfernen lassen sowie eine Bühnenfarbe, die sich einfach auf die Böden auftragen lassen soll.

Mit seinen Produkten erwirtschaftet der Mittelständler einen Umsatz von knapp vier Millionen Euro im Jahr. Der Gewinn ist überschaubar und wird laut Patz sofort wieder in die Firma investiert. “Wir sind nicht darauf aus, einen gewissen Gewinn zu erzielen, koste es was es wolle”, sagt er.

Auch die Bühnen merken die Staatsschuldenkrise

Laut Arved Hammerstädt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft in Bonn, zu der auch Bühnenbau Wertheim gehört, ist der Markt im Moment aber “relativ unsicher”. Das liege an der Staatsschuldenkrise und daran, dass viele der Bühnen von der öffentlichen Hand gefördert sind. Und die spare gerne mal bei der Kultur. Dennoch sei es insgesamt ein recht großer Markt. “Es wird viel Geld investiert, um die Häuser umzubauen oder zu renovieren”, sagt Hammerstädt.

Auch Patz ist optimistisch: “Sie können notfalls die Technik weglassen, die Podien weglassen, aber den Boden brauchen Sie letztendlich.” Bühnenbau Wertheim ist in seinem speziellen Bereich Platzhirsch. “Es gibt eigentlich nur noch zwei, drei Wettbewerber, die aber in der Regel kleiner sind als wir”, erzählt Patz. Die Wettbewerber kommen fast ausschließlich aus dem Inland. Auch die Nachfrage nach teuren Böden, wie denen aus Wertheim, ist auf bestimmte Länder beschränkt – dazu zählt Patz Deutschland und die übrigen Alpenländer sowie Osteuropa.

“Andere Länder dagegen sehen den Boden als Wegwerfartikel”, sagt der 46-Jährige. Dort werde er zweimal im Jahr ausgetauscht. Die Böden aus Wertheim hielten acht bis zehn Jahre – und das, obwohl sie regelrecht malträtiert werden. “Er ist nicht nur als Fußboden da, sondern er dient dem Bühnentechniker als Werkbank”, sagt Patz.

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