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Experteneinschätzungen zum Potenzial Virtueller Techniken im Bauwesen

Das Fraunhofer IAO und das VDC werfen einen Blick auf die Potenziale von Building Information Modelling, Virtueller und Erweiterter Realität im Kontext Bauwesen

Das Virtual Dimension Center (VDC) Fellbach und das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) haben in Zusammenarbeit mit Architekten, Bauunternehmen und Forschungseinrichtungen einen (nicht-repräsentativen) Status Quo des Einsatzes Virtueller Techniken in Bauwesen und Architektur erhoben.

Quelle: newsmax
Quelle: newsmax

Die Experten haben dazu Ihre jeweiligen Einschätzungen zu Visionen (“wie wird die Zukunft aussehen?”), Treibern (“was wird die Entwicklung befördern?”) und Hemmnissen (“was wird die Entwicklung behindern?”) des Einsatzes Virtueller Techniken in Bauwesen und Architektur abge-geben. Die Ergebnisse konnten in folgende Diskussionsfelder eingeordnet werden:

Technologie: Die Vision umfasst offene Standards, einheitliche Schnittstellen, BIM (Building Information Modelling) als Dokumentationsstandard, Lebenszyklus-Simulation, Entwurf von Gebäuden in Echtzeit in einem “Holodeck” und voll digitalisierte Baustellen. Getrieben werden diese Visionen von schnellerer Hardware, neuen Simulationsmöglichkeiten und weiteren Fortschritten in der IT-Technik (inklusive verbesserter Usability). Hemmnisse werden in folgenden Aspekten gesehen: Verluste bei Datenschnittstellen, Nicht-Übereinstimmen von Software und Prozessen, Software-Heterogenität, Software-Handhabbarkeit sowie ein geringer Umsetzungsstand von BIM-Technologien und -Ideen.

Datenverfügbarkeit: Hier gehören zur Vision Standards für LODs (Level of Detail) und Standards für die Qualität von 3D-Daten (z.B. Richtung Flächen, Präzision, Detaillierung,…). Treiber sind die Bedarfe der Planer, steigende Komplexität von Bauvorhaben sowie steigende Anforderungen an die Qualität der Planung. Gehemmt werden Entwicklungen durch geringe Verfügbarkeit von 3D-Daten (z.B. unterirdisch, auch hinsichtlich Präzision), geringe Qualität der Datengrundlage (Stadtmodell) und undefinierte Use Cases für 3D-Daten.

Prozesse und Arbeitsweisen: Standardmäßige Prozess-Simulation bei Großprojekten und automatisiertes Bauen sind hier die Vision. Treiber sind der Wunsch nach Teilhabe und ein in der Politik verankerter BIM-Gedanke für öffentliche Großprojekte. Aber auch hier bremsen zahlreiche Hemmnisse, wie etwa mangelndes Änderungsmanagement im Entwurfs-/Planungsprozess/Ausführung, wie auch fehlende Schnittstellen zwischen BIM, BAM (Building Assembly Modelling) und BOOM (Building operational and organisational Modelling). Leistungsprofile und Phasen sind bereits vordefiniert, eine Verinselung (kleine Planungseinheiten) herrscht vor. Schließlich gibt es eine fehlende Bereitschaft zur Gewährung detaillierter Einblicke (insbesondere auch gegenüber “unbedarften” Bürgern) und fehlende Prüfbarkeit /Nachprüfbarkeit (-> stimmen die Daten? Aussagen richtig? Mangelndes Qualitätssiegel der Daten/Darstellung).

Kosten, Markt, Geschäftsmodell: Für die Zukunft werden hier webbasierte, interaktive 3D-Haus-konfiguratoren gesehen, die verstärkte Interaktion des Architekten mit dem Kunden auch und insbesondere in der Planung (“Architekt wird Berater”) sowie standardisierte Bauteile. Die Treiber sind Kostendruck, Transparenzzwang und die Umsetzung von Bauprozessen in CAM(Computer Aided Manufacturing)-Strukturen. Behindert werden die Entwicklungen durch die entstehenden Kosten, bestehende Wertschöpfungsprozesse, Geschäftsmodelle im Bauprozess (besonders Gewerketrennung), fehlender Leidensdruck für Veränderungen sowie fehlende kritische Masse von Unternehmen.

Qualifikationen: Durchgängig qualifizierte Mitarbeiter am Wertschöpfungsprozess Bau sowie eigene Studiengänge eines BIM-Managers werden für die Zukunft gesehen. Getrieben werden diese Visionen durch die Ausbildung heutiger Jugendlicher (auch bzgl. Internet, Computerspiele), interdisziplinäre Studien und neue Studiengänge (z.B. Geomatiker). Allerdings werden Entwicklungen noch durch fehlenden Austausch und mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Fakultäten behindert. Aktuelle Personalstrukturen und Qualifikationen hemmen; ebenso fehlen Transferkompetenzen.

Gesellschaft: Hier sehen die Experten künftig die Massentauglichkeit Virtueller Techniken (leicht und intuitiv bedienbar, günstig, Miniaturisierung), verbreitere Akzeptanz und gestiegene Bürgerbeteiligung durch Virtuelle Techniken. Dazu trägt die Gesellschaft bei über erhöhte Medienkompetenz, steigende Ansprüche der Bauherren und zunehmende Individualität. Allerdings ist mit einem Henne-Ei-Problem zu rechnen (Nachfrage-Angebot IT-Werkzeuge). Auch werden der Oligopolmarkt der IT-Werkzeuge, mangelnder Gestaltungswille in der Branche, Technikphobie bei Architekten fehlendes Vertrauen in IT Sand in das Getriebe der Entwicklung streuen. Schließlich spricht die HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) aktuell gegen durchgängige Prozesse (wg. Gewerken und Planungsphasen).

Recht und Politik: Die Vision sieht hier einen gesetzlichen Rahmen, der neue Technologien in Bauwesen und Architektur unterstützt, fordert und fördert. Damit müssen die Vorgaben aus der Politik treiben. Es hemmen allerdings die unklaren Rechte an Daten, unklare Haftungsfragen bei Austausch (IP-Problematiken, Rechte an Daten, Rechte an Entwurf , Urheberrecht) und fehlender Kopier-/ Weitergabeschutz. Auch die Arbeit von Lobby-Gruppen und Kammern wird in diesem Lichte kritisch beäugt.

Zusammenfassend zeigt sich heute ein sehr heterogenes Bild: wohl sind gut definierte Anwendungsmöglichkeiten vorhanden. Auch haben die Experten einige recht interessante, teils ehrgeizige Visionen entwickelt. Den identifizierten Treibern stehen aber immer auch bedeutende Hemmnisse im Weg. Einige der Treiber, etwa aus den Bereichen Technologie und Gesellschaft, werden kaum aufzuhalten sein und damit Entwicklungen sicher anstoßen. Andere, wie die Vorgaben der Politik, sind Ergebnisse eines heute nicht absehbaren politischen Prozessen. Für viele der Visionen wird damit vermutlich nicht die Frage sein, ob sie eintreten, sondern lediglich wann.

Veröffentlicht von:

Alexandra Rüsche
Alexandra Rüsche
Alexandra Rüsche gehört seit 2009 der Redaktion Mittelstand-Nachrichten an. Sie schreibt als Journalistin über Tourismus, Familienunternehmen, Gesundheitsthemen, sowie Innovationen. Alexandra ist Mitglied im DPV (Deutscher Presse Verband - Verband für Journalisten e.V.). Sie ist über die Mailadresse der Redaktion erreichbar: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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