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Betriebliche Krankenversicherung: Viele Chancen und Potenziale für Anbieter und Vertrieb

Köln – Die Verbreitung der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) macht in Deutschland langsam Fortschritte. Aktuell bieten neun Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitern eine bKV an; 2014 waren es erst sieben Prozent (Basis: Unternehmen ab 10 Beschäftigte). Zuwächse erzielt werden konnten vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen sowie speziell in solchen, die bereits ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) etabliert haben.

Verglichen mit der betrieblichen Altersversorgung (bAV) führt die noch recht junge bKV-Sparte freilich noch ein Nischendasein. 42 Prozent der Betriebe wissen bis heute nicht einmal von deren Existenz. Zugleich wachsen der Handlungsdruck und Unterstützungsbedarf der Unternehmen beim betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) und in der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF). Bei entsprechender Ausrichtung und Integration könnte die bKV hier zukünftig zu einem wichtigen Baustein werden. Erforderlich sind dafür gute und breit aufgestellte Strategien, die den Unternehmen attraktive Angebote und echte Problemlösungen bieten.

Dies zeigt die aktuelle Trendstudie «Betriebliches Gesundheitsmanagement und betriebliche Krankenversicherung: Chancen, Potenziale und Bedarfe aus Arbeitgebersicht» des Marktforschungs- und Beratungsinstituts HEUTE UND MORGEN in Zusammenarbeit mit der auf betriebliches Gesundheitsmanagement spezialisierten Organisationsberatung Schedding. 300 Unternehmensverantwortliche aus kleinen, mittleren und großen Betrieben wurden im Februar 2017 ausführlich zu den Themen BGM, BGF und bKV befragt. HEUTE UND MORGEN untersucht die Chancen und Potenziale der bKV seit 2012 aus dreifacher Perspektive: aus Sicht von Arbeitgebern, von Arbeitnehmern und von Maklern.

Quelle: HEUTE UND MORGEN GmbH

Reichlich Marktpotenzial

Rund 40 Prozent der Unternehmen, die bisher noch keine bKV anbieten, können sich aktuell vorstellen, diese zukünftig einzuführen; 8 Prozent planen dies konkret binnen der kommenden 12 Monate. Besonders abschlussaffin sind vor allem Unternehmen, die im Bereich Gesundheitsmanagement bereits nachhaltig aktiv sind und unter betrieblicher Gesundheitsförderung mehr als nur „Salatbar“ oder „Obstkorb“ verstehen. Auch die Mitarbeiter in den Unternehmen zeigen hohes Interesse an der bKV; auch hier ist der Kenntnisstand bisher allerdings noch gering.

„Beratungskompetenzen und Angebote in den Bereichen BGM und BGF aufzubauen, erscheint für die Versicherer ein zukunftsweisender Vertriebsansatz, der dann auch als Türöffner für die bKV zu nutzen ist“, sagt Tanja Höllger, Geschäftsführerin bei HEUTE UND MORGEN. „Noch werden die Potenziale hier deutlich unterschätzt“.

Mitarbeiterbindung und betriebliche Gesundheit als „brennende“ Themen

Schaut man auf die aus Arbeitgebersicht drängendsten Herausforderungen im Personalbereich, dominieren deutlich die Themen Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern (Zunahme von 46% auf 76% seit 2014), der Umgang mit demographischem Wandel und alternden Belegschaften (55%) sowie die wirksame Reduktion krankheitsbedingter Fehlzeiten (45%) – lt. aktuellem AOK-Fehlzeitenreport durchschnittlich 19,5 Tage pro Mitarbeiter/Jahr.

Daraus ergeben sich vielfältige fruchtbare Andockstellen für attraktive Produkte und intelligente Vertriebsaktivitäten der bKV. Als Personalinstrument im Rahmen ganzheitlicher Recruiting- und Bindungsstrategien der Unternehmen ebenso wie als gezielter präventionsorientierter Baustein im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Zumal vor dem Hintergrund seit Jahren fortschreitender Einschränkungen des Leistungskatalogs der Krankenkassen sowie bisher oft fehlender nachhaltiger BGM/BGF-Maßnahmen der Unternehmen.

„Isolierte und kleinteilige Verkaufsargumentationen zur bKV sollten daher der Vergangenheit angehören“, rät Tanja Höllger. „Die bKV sollte im Kern ein Nachhaltigkeitsprodukt sein. Vergleichbar mit manchen Pharmafirmen sollten Krankenversicherer und Vertrieb stärker auf integrierte Gesundheitsberatung und Gesundheitsdienstleistungen statt auf reinen Produktverkauf setzen.“

Hoher Unterstützungsbedarf im Bereich Gesundheitsmanagement

Insgesamt zeigt die aktuelle Arbeitgeber-Befragung in puncto BGM und BGF in vielen Unternehmen einen sehr hohen Unterstützungsbedarf; viele Unternehmen bieten in der Praxis bisher keinerlei förderliche betriebliche Gesundheitsmaßnahmen an oder verfahren nach einem undifferenzierten Gießkannenprinzip. Zugleich besteht eine hohe Aufgeschlossenheit für diesbezügliche Kooperationen mit gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherern. Gerade die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der privaten Versicherungswirtschaft hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen (von 40% auf 55%); wird in der Praxis bisher aber erst vergleichsweise selten realisiert (aktuell: 54% GKV vs. 7% PKV).

Gefährdungsbeurteilung als vernachlässigte Baustelle

Besonderes Augenmerk sollten Versicherer und deren Vertrieb im Gesamtkontext der bKV nicht zuletzt auch auf den Bereich der „Gefährdungsbeurteilung“ (GBU) legen. Gemäß aktueller Fassung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG § 5) wurden die gesetzlichen Vorschriften gerade im Bereich der Erhebung psychischer Belastungen bei der Arbeit deutlich hervorgehoben und ausgeweitet. Die meisten Unternehmen sind sich ihrer Verpflichtungen zwar durchaus bewusst (90% zur Gefährdungsbeurteilung generell; 71% zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen), und begrüßen ganz überwiegend auch deren gesetzliche Verbindlichkeit (81%); konkret gehandelt wird diesbezüglich in vielen Betrieben nach eigenen Angaben allerdings erst selten und noch seltener systematisch. Zudem herrscht auch hier einige Unkenntnis: 42 Prozent der befragten Unternehmen sind beispielsweise der Ansicht, die Mitarbeiter seien für ihre psychischen Belastungen selbst verantwortlich.

„Dies verdeutlicht, dass die Grundlagen zur Erhebung der psychischen Belastungen oft noch nicht ausreichend bekannt sind“, sagt die Organisationsberaterin Leonore Maria Schedding. „Analysiert werden hier Belastungen, die aufgrund der Tätigkeit auf den Beschäftigten einwirken. Nicht die psychische Verfassung der Mitarbeiter selbst. Dies ist ein Vorurteil, das es zu entkräften gilt.“

Gerade vor dem Hintergrund der deutlichen Zunahme krankheitsbedingter Fehlzeiten aufgrund psychischer Überlastungen und Erkrankungen, und der damit verbundenen Leistungseinschränkungen, ist hier in den Unternehmen insgesamt ein großes und akutes Handlungsfeld entstanden, das in seiner Entwicklung und Umsetzung noch in den Kinderschuhen steckt. Generell bestehen in den Unternehmen deutliche Defizite in puncto Sensibilität und Umsetzung von Maßnahmen, die der Reduktion psychischer Belastungen dienen; lediglich 16 Prozent bieten solche bisher aktiv an. Insbesondere größere Unternehmen zeigen im Bereich psychischer Gesundheit verstärktes Interesse an Beratungs- und Unterstützungsangeboten.

Speziell auch hier öffnet sich den privaten Krankenversicherern und deren Vertrieb im Gesamtkontext der bKV also ein hervorragendes Positionierungs- und Angebotsfeld, das es weit stärker als bisher strategisch zu nutzen gilt.

Über die gesetzliche Gefährdungsbeurteilung hinaus ist es für Unternehmen natürlich auch wichtig, zu wissen, wie der „gefühlte“ psychische Beanspruchungsgrad der Mitarbeiter aussieht – beispielsweise auf dem Wege von Mitarbeiterbefragungen. Im Bedarfsfall kann so Überlastungen mit geeigneten präventiven und interventionalen Maßnahmen und Angeboten gegensteuert werden, die wiederum von übergreifenden Angeboten und speziellen Leistungsbausteinen der bKV flankiert werden können.

Kurz: Krankenkassen und auch private Krankenversicherer können im Bereich BGM / BGF zum wichtigen organisationalen Impulsgeber und Entwicklungsunterstützer für Unternehmen werden.

Attraktive und integrierte Gesamtpakete anbieten

Generelle Erfolgstreiber für die bKV sind ganzheitliche Beratungskompetenz, Orientierung am individuellen Unternehmensbedarf und der Zuschnitt passender Leistungsbausteine als attraktives, lösungsorientiertes und einfach umzusetzendes Gesamtpaket. Gelingt dies, kann die bKV ihr volles Potenzial einlösen und zu weit mehr als einem „Anhängselprodukt“ oder reinen „Nice-to-have-Goodie“ werden.

Darüber hinaus sollte auch die „äußere Verpackung“ stimmen. Unternehmensverantwortliche suchen danach, ihren Mitarbeitern etwas „Gutes“ in sichtbarer und greifbarer Form tun zu können, wollen sich als attraktiver und gesundheitsengagierter Arbeitgeber positionieren und zugleich ihr betriebliches Gesundheitsmanagement wirksam voranbringen (auch wenn das konkrete Handeln hier bisher erst schrittweise vorangeht).

Vorhandene Hürden und Einwände auf Unternehmensseite – wie vermehrt beispielsweise ein befürchteter hoher Verwaltungsaufwand, hohe Kosten und die Langfristigkeit der Ausgaben – können durch lösungsorientierte Produktzuschnitte und überzeugende Nutzen- und Mehrwertargumentationen entkräftet werden (Stärkung von BGM / BGF, Beitrag zur Mitarbeiterbindung, Steigerung der Arbeitgeberattraktivität etc.). Diejenigen Unternehmen, die bereits eine bKV eingeführt haben, berichten zudem in hohem Maße von positiven Erfahrungen in der Praxis (88% positive Erfahrungen). Und: noch bestehen im noch recht jungen bKV-Markt auf Unternehmensseite keine ausgeprägten Anbieterpräferenzen – für agile und innovative Anbieter und Vertriebe also ein hervorragendes Positionierungsfeld.

Quelle: HEUTE UND MORGEN GmbH

Veröffentlicht von:

Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou ist Mitglied in der MiNa-Redaktion und schreibt über Wirtschaftsverbände, Macher im Mittelstand, Produkte + Dienstleistungen, Digitale Wirtschaft und Familienunternehmer.
Mail: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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