Digitalstrategie

Digitalisierung ohne die Menschen?

Weniger Technikarroganz und Kundenignoranz

Oliver Meinecke zur Digitalisierung – Immer mehr Prozesse werden digitalisiert. Das spürt jeder in seinem Alltag. Terminals im Fast-Food-Restaurant, Chatbots an der Hotline, Ticketsysteme beim Hausarzt oder beim Handwerker, die die Anliegen der Patienten und Kunden priorisieren.

Was als gut gemeinter Service gedacht war, verkehrt sich zunehmend ins Gegenteil. Nicht wenige Verbraucher sind genervt und beklagen einen Rückgang in Sachen Service und Empathie. Der Grund dafür ist einfach: Die allermeisten Prozesse sind nicht auf den Nutzer, den Kunden oder die Konsumenten ausgerichtet, sondern auf die Optimierung des Prozesses selbst.

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Digitalisierung wird zum Selbstzweck

So wird Digitalisierung nicht selten zum Selbstzweck. Die Menschen stehen mit ihren Interessen und Bedürfnissen viel zu selten im Fokus von Digitalisierungsprojekten. Dabei ist das dringend notwendig. Denn: Unternehmerischer Erfolg ist auch eine Frage von Kundenorientierung. Am Leitsatz, dass der Kunde König ist, hat auch das Digitale nichts geändert. Es hat deswegen Sinn, sich auch und gerade in der digitalen Welt primär auf die Kundenwünsche und Kundenbedürfnisse zu fokussieren und dem Kunden zu geben, was er erwartet und verlangt.

Digitalisierung oft an den Bedürfnissen vorbei

In weiten Teilen der Wirtschaft herrscht jedoch eine massive Technikarroganz. Für ältere Menschen ist es beispielweise eine Zumutung, Arzttermine ausschließlich online buchen zu können, ihr Mittagessen über ein Tablet ordern zu müssen oder Geschäfte zwangsweise an Terminals oder mit Robotern zu machen. Sehr oft geht die Digitalisierung an den Menschen vorbei. Das Problem besteht sowohl in Unternehmen in Bezug auf die Mitarbeiter als auch bei Gewerbetreibenden gegenüber ihren Kunden. Im Grunde denkt jeder nur an sich, an seine Prozesse, seine Effizienz, seinen Vorteil und letztendlich seinen Gewinn. Der Kunde wird dabei zum Objekt degradiert.

Diese Feststellungen sind keine Kritik an digitalen Prozessen oder neuen Technologien generell. Aber: Die Digitalisierung muss halten, was sie verspricht, nämlich den Menschen das Leben erleichtern, Service verbessern, Lösungen schaffen, Dinge vereinfachen oder beschleunigen. Wer sich Digitalisierung auf die Fahnen schreibt, darf nicht nur technikverliebt, sondern muss auch kundenfreundlich und menschenzugenwandt sein.

Mehrwerte kaum erkennbar

Wer etwas digitalisiert, der muss vom Kunden ausgehend denken. Was sind dessen Wünsche? Wie fühlt er sich? Wie kann er genau jetzt und an dieser Schnittstelle von meinem Angebot profitieren? Jeder Klick auf dem Rechner, jede Eingabe an einem Terminal und jeder Sprachbefehl am Telefon ist eine Begegnung mit dem Kunden und seinen Wünschen. Und immer muss man sich die Frage stellen, wie kann ich ihm in diesem Moment dienen. Welche Last kann ich ihm nehmen? Wie ihn glücklich machen?

Aktuell aber hat der Kunde nicht selten das Gefühl, dass er die Arbeit macht, die früher Mitarbeiter für ihn erledigt haben, er aber keinen Gegen- oder Mehrwert dafür bekommt. Die Unternehmen sparen Personal und minimieren mögliche Fehler, dem Kunden aber wird die Verantwortung übertragen, in einer Art permanenter Selbstbedienung alles richtig machen zu müssen. Keine Beratung, keine Hilfsstellung, Der Kunde zahlt dafür meist trotzdem nicht geringere, sondern sogar höhere Preise. So dürften sich viele die neue digitale Welt sicher nicht vorgestellt haben.

Der Kunde bleibt König

Digitale Services sollten sich radikal auf den Anwender, den Kunden oder den Konsumenten ausrichten. Der jeweilige individuelle Nutzen muss für diese Gruppen spürbar werden. Plötzlich ist da eine neue Software im Unternehmen. Plötzlich steht da ein Terminal, statt – wie gewohnt – ein Mensch. Wer etwas Neues akzeptieren soll, darf dies nicht oktroyiert bekommen, sondern muss seine Chancen und Vorteile erkennen und nutzen können. Eine Neuerung ist kein Wert an sich.

Wie wollen wir im digitalen Zeitalter miteinander umgehen?

Die Ursache ist dabei einfach erklärt: Bei digitalen Prozessketten wird meist nicht die gesamte Wertschöpfungskette gedacht, sondern nur die jeweilige eigene kleine Insel. Der Fokus liegt auf einem (kleinen) Problem, das es zu lösen gilt – ein Problem des Anbieters wohlgemerkt, nicht eines des Kunden. Eine positive Digitalisierung mit und für die Menschen aber muss Prozesse systemisch und ganzheitlich denken und entwickeln – einschließlich aller Anwendungen und Interessen des Kunden.

Technik, insbesondere KI, kann dabei sehr wohl unterstützen. Wenn Unternehmen ihren Kunden eindeutig identifizieren können und sogar dessen Stimmungen und momentane Interessen erfassen, ist dies eine Chance, Technologie im Interesse des Menschen einzusetzen und Services zu verbessern. Die Digitalisierung, die Technik ist nicht die Ursache des gefühlten Dienstleistungsabbaus, sondern deren falsche Umsetzung. KI kann durchaus unterstützen und Mehrwerte generieren – für alle Beteiligten. Das Erkennen von Gefühlen und Stimmungen darf hier kein Tabu sein.

Denkverbote helfen nicht weiter, ebenso wenig eine überbordende Regulierung. Was hilft, sind nicht Gesetze, sondern ein Umdenken im Sinne des Menschen, der ein Bedürfnis befriedigt haben möchte – nicht mehr und nicht weniger. Es ist letztlich eine Frage der Kultur: Wie sollen und wollen wir im digitalen Zeitalter miteinander umgehen?

Intelligente Technik ist die Lösung

Nicht die Technologie ist das Problem, sondern deren Einsatz. Wer dem Kunden genau das gibt, was er möchte, tut dem Kunden etwas Gutes. Effizienzvorteile dürfen nicht allein zum Vorteil des Unternehmens sein. Die Haltung muss das Denken bei der Digitalisierung bestimmen.

Bessere Prozesse und ein höherer Gewinn für die Unternehmen sind dann die Folge, das Ergebnis, nicht der Beginn des Denkens. Und so profitiert auch der Kunde und wird entsprechend mitgenommen. Er wird zum Partner. Das Missverhältnis digitaler Services zu Lasten des Kunden kann und muss aufgelöst werden. Ein neues, kundenfreundliches und serviceorientiertes Denken ist gefragt – gerade und insbesondere in einer digitalen Welt mit Fachkräftemangel und globaler Vernetzung.

Hintergrund

Oliver Meinecke ist IT-Projektmanager. Er gilt als einer der führenden Experten rund um die Themen Digitalisierung, IT-Intelligenz, IT-Aktualität, IT-Effizienz, Optimierung der IT-Infrastruktur und Homeoffice. Seine Auftraggeber sind mittelständische Unternehmen und Konzerne, die komplexe, dezentrale Projekte mit internationalen und interkulturell besetzten Projektteams steuern und erfolgreich abschließen möchten. Oliver Meinecke trimmt Strukturen auf maximale Effizienz, indem er Prozesse, Datenbestände und IT-Strukturen radikal vereinfacht und reduziert. Dabei ist er ein herausragender Kommunikator, der IT und Menschen technisch und praktisch verbindet. Sein Ziel: Unternehmen in ihrer IT-Struktur autark, weniger krisenanfällig und selbstbestimmt machen, sie zu IT-Leadership-Exzellenz führen. Sein IT-Wissen gibt Oliver Meinecke regelmäßig in Podcasts, Whitepapern und Fachpublikationen weiter.

Weitere Informationen unter www.sowacon.de.

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