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Die Tricks der Arbeitgeber: Warum der Mindestlohn alles andere als fair ist!

Köln – Die Einführung des Mindestlohns klang zunächst nach einem Riesenerfolg für Arbeitnehmer: Faire Vergütung und das flächendeckend. Umso erschreckender, dass knapp 2 Mio. Beschäftigte in Deutschland nicht das verdienen, was ihnen eigentlich zusteht. Markus Mingers, Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Mingers & Kreuzer, fasst zusammen, mit welchen Strategien Arbeitgeber den Mindestlohn umgehen und wie sich Arbeitnehmer dagegen wehren können.

7 Lohn-Tricks der Arbeitgeber

1. Friseure mit „Teilzeitstellen“

Ein beliebter Trick im Friseurhandwerk ist die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitstellen. „Diese findet allerdings nur auf dem Papier statt: Beschäftigte arbeiten genauso viele Stunden für das gleiche Geld, verdienen nun aber formal den Mindestlohn“, erklärt Mingers.

2. Kassierer mit unbezahlten Überstunden

Viele Kassierer und Supermarkt-Angestellte werden zwar für das Kassieren bezahlt, allerdings nicht für das Einräumen der Ware. Auf diese Weise leisten sie häufig unbezahlte Überstunden und ein 8-Stunden-Tag kann ganz schnell auf 9 Stunden gestreckt werden.

3. Kellner mit fragwürdigen Verträgen

„Gerade in der Gastronomie arbeiten Kellner teils mit Verträgen, die zwar eine Vereinbarung für einen Monatslohn enthalten, die Stundenzahl aber nicht festhalten. Mit unbezahlten Überstunden ist also auch hier zu rechnen“, weiß der Rechtsexperte.

4. Gebäudereiniger ohne festen Stundenlohn

Viele Gebäudereiniger bekommen einen sogenannten Akkordlohn gezahlt. Es wird festgelegt, was für eine Leistung Beschäftigte innerhalb einer Stunde erbringen müssen. Nacharbeiten, die nicht innerhalb des Zeitrahmens erfolgen, werden nicht vergütet – so leisten Beschäftigte unbezahlte Überstunden.

5. Selbstständige Taxifahrer ohne Mindestlohn

„In manchen Taxiunternehmen wird Mitarbeitern bereits nach kurzer Zeit wieder gekündigt. Als Selbstständige sollen die Taxifahrer dann weiter für das jeweilige Unternehmen arbeiten – eine Regelung für den Mindestlohn gibt es nicht. In solchen Fällen besteht der dringende Verdacht der Scheinselbstständigkeit“, so Mingers. In dem Fall sind Taxifahrer an das Unternehmen gebunden, es fehlen aber Bestimmungen zur Arbeitszeit oder die Option Aufträge abzulehnen.

6. Spargelstecher mit Sachleistung vergütet

Vor allem bei Erntehelfern wird der Lohn, der üblicherweise nicht annähernd den Mindestlohn erreicht, oft mit Sachleistung verrechnet. Arbeiter werden beispielsweise verköstigt, anstatt ein angemessenes Gehalt zu bekommen. Doch das ist keineswegs legal: Brötchen zu horrenden Preisen oder bezahlte Toilettengänge – solche Maßnahmen sind grenzwertig, aber gängige Praxis.

7. Bauarbeiter ohne Lohn

Auf Baustellen werden teils Arbeiter aus Osteuropa in Subunternehmen eingestellt und enden schließlich ohne Geld für eine Unterkunft oder Essen. „Zunächst wird ihnen der Mindestlohn zwar gezahlt. Nach einiger Zeit setzen die Zahlungen allerdings aus und Bauherren sowie Arbeitgeber verschwinden spurlos. Hier ist vor allem die Kontrolldichte seitens des Zolls zu erhöhen“, rät der Rechtsexperte.

So können sich Arbeitnehmer wehren:

Bis Juni 2017 wurden knapp 2.500 Ermittlungsverfahren wegen nicht gezahlter Mindestlöhne eingeleitet. Dabei belief sich die Summe der Bußgelder auf einen Wert von fast 20 Mio. Euro. Betroffene sind also nicht machtlos. Mit folgenden Strategien können sie gegen die Tricks vorgehen:

  • Arbeitszeiten und Lohnzahlungen dokumentieren: Gerade wenn die Arbeitszeiten nicht automatisch bzw. maschinell erfasst werden, sollten Arbeitnehmer diese akribisch aufschreiben. So können Manipulationen leichter verhindert werden.
  • Betriebsrat einbinden: Gibt es einen Betriebsrat im Unternehmen, haben Beschäftigte die Möglichkeit, sich an diesen zu wenden. Auch in Großbetrieben werden durchschnittlich mehr als 200 Angestellte unter dem Mindestlohn vergütet. In Mittelstandunternehmen sind es zwischen 10 und 200 Beschäftigte, die keine faire Bezahlung erhalten. Der Gang zum Betriebsrat ist oft einfacher als ein direktes Gespräch mit dem Chef.
  • Mindestlohn-Hotline: Gibt es im Unternehmen keinen Betriebsrat, kann auch ein Gespräch mit der Mindestlohn-Hotline des Bundesarbeitsministeriums hilfreich sein. Eine rechtliche Beratung erhält man hier zwar nicht, aber konkrete Verstöße können anonym gemeldet werden. Der Zoll verfolgt diese dann weiter.
  • Kontrolle durch den Zoll: Die Kontrolle durch den Zoll kann natürlich auch direkt angestoßen werden. Dieser kann Fragen in Bezug auf die Unterschreitung des Mindestlohns klären und Verstöße verfolgen.
  • Anwalt für Arbeitsrecht: Für eine fundierte Rechtsberatung im Bereich Mindestlohn empfiehlt sich der Gang zum Anwalt für Arbeitsrecht. Im schlimmsten Fall ist eine Klage vor dem Arbeitsgericht gegen den Arbeitgeber notwendig. Beschäftigte sollten sich allerdings im Klaren darüber sein, dass das Arbeitsverhältnis danach meist nicht weiter fortgesetzt wird. Noch Jahre später kann der Mindestlohn nachträglich eingeklagt werden. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, Sozialabgaben selbst nachzuzahlen. Klagen versprechen in den meisten Fällen hohe Nachzahlungen an die Arbeitnehmer.

Quelle: Jeschenko MedienAgentur Köln GmbH

Veröffentlicht von:

Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou ist Mitglied in der MiNa-Redaktion und schreibt über Wirtschaftsverbände, Macher im Mittelstand, Produkte + Dienstleistungen, Digitale Wirtschaft und Familienunternehmer.
Mail: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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