Finanzen

Factoring – die Facts und Vorteile

Gerade bei Unternehmen mit vielen Kunden und einem hohen Warenverkehr nimmt die Rechnungslegung sehr viel Zeit in Anspruch. Je nach Firmengröße sind einzelne Mitarbeiter, ein Team oder eine ganze Abteilung nur damit beschäftigt, Rechnungen zu verwenden. Nicht alle Kunden zahlen fristgerecht, die eingehenden Zahlungen müssen regelmäßig kontrolliert und Mahnungen versendet werden. Diese Überprüfungen und der laufende Schriftverkehr sind zeit- und kostenintensiv. Daher entscheiden sich immer mehr Firmen für Factoring für den Mittelstand. Was versteht man darunter und worauf müssen Firmenchefs achten?

Was ist eigentlich Factoring und woher kommt es?

Das Wort Factoring leitet sich vom ursprünglichen lateinischen Wort Factura ab – was einfach Rechnung bedeutet. In der heutigen Geschäftswelt versteht man darunter die Praxis, Forderungen gegenüber Kunden an ein Drittunternehmen abzutreten. Viele nehmen an, dass es sich dabei um ein Geschäftsmodell unserer Zeit handelt. Wie gefehlt, denn Aufzeichnungen belegen, dass bereits bei den Fuggern dieses Geschäftsmodell bekannt war. Im Jahr 1771 definierte der Ökonom John Hartman Eberhardt aus Schweden diese Praxis als „Delkredere“. Schon weit früher, nämlich 1677 waren in London 38 Unternehmen registriert, die sich auf die Übernahme von Forderungen spezialisiert hatten. In den USA ist dieses Modell ebenfalls seit langem bekannt. In Deutschland dürfte der erste Factoring Vertrag erst im Jahr 1958 abgeschlossen worden sein. Das Geschäft mit unbezahlten Rechnungen boomt, im Jahr 2016 waren in ganz Deutschland 187 Factoring Unternehmen zugelassen.

Factoring – die Facts und Vorteile
Factoring – die Facts und Vorteile
Quelle: pixabay.com/Michael Schüler

Verschiedene Formen des Factoring

Wenn sich ein Unternehmen für den Verkauf von Forderungen entscheidet, hat das möglicherweise weitreichende Folgen auf die Unternehmensstruktur. Die meisten Factoring Firmen bietet unterschiedliche Dienstleistungen an, folgende Begriffe sollte man kennen:

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  • Delkredere – unter dem vom oben erwähnten schwedischen Ökonom geprägten Begriff versteht man die Übernahme einer Garantie für die Zahlungsfähigkeit der Kunden – zahlt der Schuldner nach allen Bemühungen nicht, liegt das Risiko für die Summe beim Factor
  • Vorfinanzierung – tritt ein Unternehmen offene Beträge an ein Factoring Unternehmen ab, überweist dieses zeitnah einen Großteil der Summe, meistens 80 bis 90 Prozent
  • Debitorenmanagement – wenn sich eine Firma für einen all-inklusive Vertrag mit einem Factoring Unternehmen entscheidet, übernimmt der Partner das gesamte Mahnwesen, die Bonitätsprüfung (wenn nötig), die Debitorenbuchhaltung und das Mahnwesen

Unter Full Service Factoring versteht man sozusagen das Rundumpaket. Dabei werden die offenen Forderungen vorfinanziert und das Factoring übernimmt den Ausfallschutz, sollten Kunden im Endeffekt nicht zahlen. Außerdem ist in den Serviceleistungen das komplette Mahnwesen enthalten. Entscheidet sich ein Unternehmer für Full Service Factoring, wird die hausinterne Buchhaltungsabteilung massiv entlastet. Interessiert sich ein Firmenchef für den Forderungsverkauf, sollten auch die Begriffe stilles und offenes Factoring geläufig sein. Beim offenen Factoring wird der Forderungsverkauf dem Kunden gegenüber transparent gemacht. Die Debitoren werden darüber informiert, dass sie einen neuen Ansprechpartner für ihre Zahlungsziele haben. Auf der Rechnung bzw. Mahnung scheinen die Kontonummer und der Name des Factoring Unternehmens auf. Beim stillen Factoring agiert die Factoring Gesellschaft im Hintergrund. Für den Kunden ist der Verkauf der Forderungen nicht erkennbar. Meist läuft stilles Factoring über ein Sonderkonto ab, das jedoch auf den Firmennamen und nicht die Factoring Gesellschaft läuft.

Mit welchen Kosten ist zu rechnen?

Wie viel Unternehmen an den Factoring Partner bezahlen müssen, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Hier einige davon:

  • Gewähltes Factoringpaket
  • Zahlungsziele und Laufzeit des Forderungsbestandes
  • Rechnungsumfang
  • Bonität des Unternehmens
  • Jahresumsatz
  • Kundenstamm
  • Alter des Unternehmens
  • Zinsen

Die Gebühren, mit denen mittelständische Unternehmen rechnen müssen, setzten sich genau genommen aus drei Komponenten zusammen. Einerseits muss man mit einer sogenannten Prüfgebühr gerechnet werden, die pro Debitor anfällt und in der Regel jährlich verrechnet wird. Dazu kommen die Zinsen, da das Factoring Unternehmen ja die Vorfinanzierung übernimmt. Der verwendete Zinssatz orientiert sich in der Regel nach den handelsüblichen Zinsen und beträgt zwischen 0,5 und 5 Prozent. Die Factoring Gebühr richtet sich nach der Unternehmensgröße und wird nach dem Bruttoumsatz berechnet. Üblich sind Werte zwischen 0,1 und 3 Prozent.

Vorteile für mittelständische Unternehmen

Der größte Vorteil beim Factoring liegt eindeutig im Liquiditätsgewinn. Tritt man Forderungen ab, wird wie schon erwähnt ein Großteil des offenen Betrags sofort überwiesen. Somit hat der Unternehmer rasch Geld zur Verfügung, auf das man beim normalen Rechnungs- und Mahnungslauf mitunter monatelang warten hätte müssen. Außerdem wird das Risiko für Zahlungsausfälle abgegeben. Ist der offene Betrag vom Kunden nicht einzutreiben, sieht sich das Factoring Unternehmen mit diesem Problem konfrontiert. Da der Partner den Ausfallschutz übernimmt, kann die Forderung aus der Bilanz ausgebucht werden. Somit steigt die Bonität des Unternehmens und die Kreditwürdigkeit steigt. Ein weiterer Punkt betrifft die Arbeitsentlastung für Mitarbeiter. Anstatt eine Mahnung nach der anderen zu versenden, können Dienstnehmer andere Bereiche übernehmen und sich zum Beispiel vermehrt um Kundenpflege und –gewinnung kümmern. Bei Bedarf kann man sogar das gesamte Debitorenmanagement auslagern.

Gibt es auch Nachteile?

Einer der Nachteile sind sicherlich die Gebühren, die Factoring Unternehmen verrechnen. Bevor man sich ein Unternehmen für die Abtretung von Forderungen entscheidet, sollte man verschiedene Angebote einholen. Die Kosten und Zinsen unterscheiden sich teilweise erheblich. In jedem Fall ist eine Kosten-Nutzenanalyse zu empfehlen. Außerdem ist Factoring nicht für alle Geschäftsleute geeignet. Der Großhandel und die verarbeitende Industrie profitiert am meisten davon. Forderungen, die Dienstleistungen betreffen, werden oft nicht übernommen. Während Factoring früher nur Großunternehmen vorbehalten war, gibt es heute schon einige Anbieter, die sich auf KMUs, Selbständige und mittelständige Unternehmen spezialisiert haben. Es lohnt sich auf alle Fälle, die Preise und Konditionen zu vergleichen.

Veröffentlicht von:

Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou ist Mitglied in der MiNa-Redaktion und schreibt über Wirtschaftsverbände, Macher im Mittelstand, Produkte + Dienstleistungen, Digitale Wirtschaft und Familienunternehmer.
Mail: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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