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Reizdarmsyndrom: Was steckt hinter der diffusen Diagnose?

Rund zwölf Millionen Menschen leiden hierzulande an chronischen Magen-Darm-Beschwerden, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Lassen sich anhaltender Durchfall, Blähungen oder Verstopfung weder auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten noch auf strukturelle oder biochemische Ursachen zurückführen, sprechen Mediziner vom Reizdarmsyndrom (RDS). Das Krankheitsbild, dessen Ursache noch nicht vollständig geklärt ist, bezeichnet eine Gruppe funktioneller Störungen, denen keine andere Erkrankung des Magen-Darm-Traktes zugrunde gelegt werden kann. Entsprechend hilflos stehen Betroffene ihrem Leiden gegenüber. Medikamente, die zum Großteil rezeptfrei erhältlich sind, versprechen zwar kurzfristige Linderung, stellen auf Dauer jedoch keine Lösung des Problems dar.

Allein psychologische Faktoren wie Depressionen und Ängste als Auslöser für RDS zu definieren, greift jedoch zu kurz, darüber sind sich Mediziner heute einig. Diskutiert werden als Ursache des diffusen Syndroms daher neben falschen Ernährungsgewohnheiten vor allem eine Dünndarmfehlbesiedlung und akute infektiöse Magen-Darm-Erkrankungen. Und so wird vielen Betroffenen als erstes empfohlen, ein Ernährungstagebuch zu führen, um auf diese Weise zu ermitteln, welche Nahrungsmittel gut vertragen werden und wann es zu Problemen kommt. Bei einigen RDS-Patienten hat es sich bewährt, auf Gas bildende Nahrungsbestandteile wie Fruktose in Obst und Gemüse oder Laktose in Milchprodukten zu verzichten, da diese im Darm vergären und so für Gasbildung und Durchfälle verantwortlich sein können. Entsprechende Diäten sind jedoch nicht unumstritten. Denn ein massiver Eingriff in die Ernährung kann die Zusammensetzung der Darmflora negativ beeinflussen. Und genau diese rückt bei der Erforschung des Reizdarmsyndroms immer stärker in den Fokus.

Dass die rund 100 Billionen Darmbakterien maßgeblich für eine funktionierende Darmtätigkeit sind, ist Konsens. Im Umkehrschluss liegt es nahe, dass eine Schädigung der Darmflora für die Entstehung eines RDS eine Rolle spielt. Einen Hinweis darauf gibt die Beobachtung, dass sich Symptome durch eine umfassende Darmreinigung, wie sie im Vorfeld einer Darmspiegelung stattfindet, zeitweise lindern lassen. Die Medizin erprobt in diesem Zusammenhang Therapien, bei denen Patienten mit Probiotika behandelt werden. Weitere Erkenntnisse ließen sich zudem aus Verfahren gewinnen, bei denen Kotproben eines gesunden Spenders in den gereinigten Darm eines RDS-Betroffenen eingebracht wurden, um ihn mit gesundheitsfördernden Bakterien zu besiedeln. Eine solche “Fäkaltherapie” ist jedoch umstritten, da bisher nicht geklärt ist, ob durch das Verfahren auch Infektionen und Stoffwechselstörungen wie Übergewicht oder Diabetes übertragen werden. Hier sorgte erst kürzlich die starke Gewichtzunahme einer 32-jährigen Amerikanerin nach einer entsprechenden Transplantation für Aufsehen.

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Ein weiterer Ansatz in der RDS-Forschung untersucht infektiöse Magen-Darm-Erkrankungen als Auslöser. So begünstigt zum Beispiel akuter Durchfall nachweislich die Entstehung eines postinfektiösen Reizdarmsyndroms. Einige Mediziner raten daher zum Beispiel bei Reisediarrhoe zu einer frühzeitigen Antibiotikabehandlung, da das Risiko, ein RDS zu entwickeln, zunimmt, je länger und schwerer eine Durchfallerkrankung verläuft. Allerdings müssen auch die Risiken einer solchen Therapie, die Auswirkungen auf die Darmflora und eine eventuelle Resistenzbildung bedacht werden.

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