Auf dem Weg zu „low-emission-plastics“
Entgasung von Kunststoffcompounds optimiert
Runter mit den Emissionen heißt es auch für die Kunststoffindustrie. Getrieben durch strenge Grenzwerte, die beispielsweise die Automobilindustrie vorgibt, wächst der Druck, emissionsreduzierte Kunststoffrezepturen zu entwickeln. Gleichzeitig sollen aber auch die Kosten im Rahmen bleiben. Diese gegensätzlichen Ansprüche machen die Prozessentwicklung emissionsoptimierter Kunststoffcompounds zur großen Herausforderung. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens hat das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF den Entgasungsvorgang bei der Compoundierung mit gleichläufigen Doppelschneckenextrudern stark optimiert. Den Anteil flüchtiger organischer Verbindungenkonnten die Wissenschaftler auf diese Weise um rund 70 Prozent, verglichen zum Stand der Technik, reduzieren. Damit können Unternehmen der Compoundierindustrie zeitnah auf Forderungen nach einem geringeren Gehalt an flüchtigen Bestandteilen im Compound reagieren, was sich direkt positiv auf den wirtschaftlichen Erfolg auswirkt. Mit dem Ziel deutlich emissionsärmerer Kunststoffprodukte wird das Fraunhofer LBF seine Untersuchungen künftig entlang der Wertschöpfungskette auf den Spritzgießprozess ausweiten.
Das Forschungsprojekt führte das Fraunhofer LBF unter industrienahen Verarbeitungsbedingungen durch. Ziel war es, die Emissionen von PP-Talkum-Compounds im Vergleich zum Stand der Technik ohne Einbußen bei der Wirtschaftlichkeit signifikant zu reduzieren. Aufbauend auf der Hypothese, dass der Polymerabbau während der Verarbeitung einen signifikanten Einfluss auf die Emissionen hat, wählten die Darmstädter Forscher in einem ersten Schritt bewusst einen sehr materialschonenden Schneckenaufbau. Dadurch ließen sich der Polymerabbau und gleichzeitig der Anteil der Restflüchte im Compound deutlich reduzieren.
Die Compoundhomogenität reichte dabei jedoch nicht aus. Mit den Erkenntnissen aus den durchgeführten systematischen Versuchsblöcken sowie den Empfehlungen aus dem Stand der Technik entwickelte und baute das LBF daher eine neuartige modulare Entgasungszone. Damit konnten die Wissenschaftler systematisch für die Entgasung wesentliche Parameter variieren und deren Einfluss auf die Gesamtemissionen dokumentieren.
Gesamtkohlenstoffkonzentration um über 70 Prozent gesenkt
Wie sich zeigte, ist für eine effektive Entgasung bei hohen Schneckendrehzahlen und Maschinenauslastungen auch eine, im Vergleich zum Stand der Technik, deutlich längere Entgasungszone notwendig. Um die erforderliche Verfahrenslänge dabei nicht zu erhöhen, passte das LBF den Verfahrensabbau, bei weiterhin ausreichender Dispergierung der Füllstoffe, an. Durch den Einsatz einer modularen Entgasungszone mit angepassten Entgasungseinsätzen konnte weiter ein optimiertes Vakuumprofil eingestellt werden. Für zwei untersuchte Schneckendrehzahlen (600 und 1200 Umdrehungen pro Minute) ließ sich die Restflüchte durch den so optimierten Gesamtprozess signifikant senken. Verglichen mit dem Compound nach aktuellem Stand der Technik konnte die Gesamtkohlenstoffkonzentration um über 70 Prozent reduziert werden. Sie lag damit sogar unterhalb des Ausgangswertes des unverarbeiteten Basispolymers.
Die Forschungsarbeiten veranschaulichen, dass sich die Emissionen aus Kunststoffcompounds auch bei hohen Maschinenauslastungen durch eine optimierte Entgasungszone deutlich mindern lassen, und das ohne den Einsatz von Schleppmittel und Hochvakuum. Die Projektergebnisse stellen so einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung „low-emission-plastics“ dar.
Forschungsergebnisse für Industrie direkt nutzbar
Basierend auf den Forschungsergebnissen kann das Fraunhofer LBF der Compoundierindustrie Verfahrensparameter an die Hand geben, mit denen sich die Entgasungsleistung von Hochleistungs-Doppelschneckenextrudern mit nur geringen Investitionskosten für hohe Durchsätze optimieren lässt. Das Institut hat Empfehlungen erarbeitet, wie schon vorhandenes Equipment für eine optimierte Entgasung eingesetzt und gegebenenfalls modifiziert werden kann, und an welcher Stelle zusätzliche Investitionen eine weitere Flüchtereduzierung ermöglichen. Wie hoch das Potential liegt, mit Änderungen am Prozess oder an der Maschine die Entgasungsleistung zu verbessern, kann das LBF mit einer Kosten/Nutzen-Rechnung in Kombination mit einfachen, systematischen Compoundierversuchen kundenspezifisch abschätzen. Dank der großen Praxisnähe des Projektes lassen sich die Ergebnisse in der Industrie direkt umsetzen.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF