Online-Buchungsplattformen: Fluch oder Segen für mittelständische Tourismusbetriebe?

Der digitale Wandel im Tourismus
Die Digitalisierung hat den Tourismussektor tiefgreifend verändert – vor allem durch den Siegeszug der Online-Buchungsplattformen (OBPs) wie Booking.com, Airbnb, Expedia oder HRS. Für Reisende bedeuten diese Plattformen Übersicht, Komfort und oft auch bessere Preise. Für mittelständische Tourismusbetriebe – insbesondere Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und kleinere Reiseanbieter – stellt sich jedoch eine ambivalente Frage: Sind diese Plattformen Fluch oder Segen?
Die Antwort ist vielschichtig. Sichtbarkeit, Reichweite und Auslastung stehen auf der Habenseite. Auf der Sollseite stehen jedoch steigende Abhängigkeit, sinkende Gewinnmargen und ein drohender Verlust der eigenen unternehmerischen Kontrolle. Dieser Text beleuchtet die zentralen Aspekte: Abhängigkeit, Margenverlust und Sichtbarkeit – und fragt, wie mittelständische Betriebe auf diese Entwicklung reagieren können.
Sichtbarkeit: Digitale Präsenz als Wettbewerbsfaktor
In einem globalen Markt, in dem potenzielle Gäste ihre Reisen fast ausschließlich online planen, bieten Buchungsplattformen für kleine und mittelständische Anbieter eine enorme Reichweitensteigerung. Ein kleines Gästehaus in der Uckermark oder eine Ferienwohnung im Schwarzwald kann dank OBPs plötzlich Gäste aus aller Welt anziehen.
Das professionelle Erscheinungsbild, einfache Filterfunktionen und Kundenbewertungen sorgen für Vertrauen und Transparenz – zwei entscheidende Kriterien bei der Buchungsentscheidung. Ohne Präsenz auf diesen Plattformen bleiben viele mittelständische Anbieter schlicht unsichtbar.
Doch mit der wachsenden Sichtbarkeit steigt auch die Konkurrenz. Die Anbieter stehen in direkter Vergleichbarkeit mit internationalen Ketten und preisaggressiven Mitbewerbern. Umso wichtiger wird ein strategischer Umgang mit Plattformen, inklusive optimierter Profile, professioneller Fotografie und exzellenter Gästekommunikation.
Abhängigkeit: Der Preis der Plattformnutzung
Je höher der Anteil der Buchungen über OBPs, desto größer wird die Abhängigkeit vom jeweiligen Anbieter. Viele mittelständische Tourismusunternehmen berichten, dass bis zu 60–80 % ihrer Buchungen über ein oder zwei Plattformen erfolgen – ein riskantes Ungleichgewicht.
Diese Abhängigkeit zeigt sich nicht nur in der Preisgestaltung, sondern auch in der Sichtbarkeit innerhalb des Algorithmus der Plattformen. Anbieter, die nicht „mitspielen“ – z. B. durch flexible Stornierungsbedingungen, Sofortbuchbarkeit oder regelmäßige Sonderangebote – werden oft in der Suchreihenfolge benachteiligt.
Zudem besteht ein strukturelles Machtgefälle: Vertragsbedingungen sind meist einseitig gestaltet, Änderungen erfolgen kurzfristig, und die Kommunikation mit Plattformbetreibern ist oft mühsam. Kleinbetriebe ohne eigene IT- oder Marketingabteilung sind hier klar im Nachteil.
Margenverlust: Wenn Provisionen den Gewinn schmälern
Einer der größten Kritikpunkte aus Sicht mittelständischer Betriebe ist der Margenverlust durch Plattformprovisionen. Je nach Plattform liegen diese zwischen 12 und 20 % pro Buchung – bei Premium-Platzierungen oder besonderen Sichtbarkeitsoptionen auch darüber.
Für kleine Betriebe mit ohnehin geringen Gewinnspannen ist das eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung. Viele können oder wollen diese Kosten nicht an den Gast weitergeben, was letztlich ihre Rentabilität gefährdet.
Hinzu kommt: Da viele Plattformen sogenannte „Rate Parity“-Klauseln verlangen – also die Verpflichtung, keine günstigeren Preise auf der eigenen Website anzubieten –, ist der Spielraum zur Preisdifferenzierung eingeschränkt. Diese Praxis wurde zwar in einigen Ländern verboten oder gelockert, bleibt aber ein Wettbewerbsnachteil für mittelständische Anbieter, die ihre Direktbuchungen fördern wollen.
Zwischen Strategie und Selbstbehauptung: Handlungsspielräume für den Mittelstand
Angesichts der Nachteile stehen viele mittelständische Tourismusunternehmen vor der Frage: Wie viel Plattform ist sinnvoll – und wie gelingt die Unabhängigkeit?
Ein möglicher Weg ist die Diversifizierung der Vertriebskanäle. Wer seine Präsenz auf mehreren Plattformen verteilt und gleichzeitig in den Direktvertrieb investiert (z. B. durch eine professionelle Website mit Buchungsfunktion, SEO und Social Media), verringert das Abhängigkeitsrisiko.
Zudem gewinnt die Idee des „Fair Booking“ an Bedeutung: Kampagnen und Initiativen, die Gäste zur Direktbuchung animieren, etwa durch kleine Anreize (z. B. kostenloses Frühstück oder besseres Zimmer bei Direktbuchung). Auch Kooperationen mit regionalen Tourismusverbänden und gemeinsame Marketinginitiativen können Sichtbarkeit stärken, ohne von Plattformen abhängig zu sein.
Technologische Hilfsmittel wie Channel Manager und PMS-Systeme helfen außerdem, den Aufwand zu reduzieren und Buchungen effizient zu verwalten – auch bei Nutzung mehrerer Plattformen.
Ein zweischneidiges Schwert
Online-Buchungsplattformen sind für den mittelständischen Tourismus weder reiner Fluch noch ungetrübter Segen – sondern ein zweischneidiges Schwert. Sie bieten enorme Chancen in puncto Reichweite und Gästegenerierung, bringen aber gleichzeitig erhebliche wirtschaftliche und strategische Risiken mit sich.
Für mittelständische Anbieter geht es deshalb nicht um ein „entweder oder“, sondern um ein kluges „sowohl als auch“. Die Zukunft liegt in einem hybriden Vertriebsmodell, das Plattformen nutzt, aber nicht dominiert. Wer es schafft, seine Marke zu stärken, Gästebindung zu fördern und digitale Kompetenzen auszubauen, kann die Vorteile der Plattformwelt nutzen – ohne sich ihr auszuliefern.
Quelle: ARKM Redaktion