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Soziales Umfeld zielgerichtet gestalten im Fachkräftemangel

IHK-Arbeitskreis Verkehrswirtschaft diskutiert Fachkräftemangel

Der „Kampf um die Köpfe”, Fachkräftemangel, stand im Mittelpunkt der jüngsten Sitzung des Arbeitskreises Verkehrswirtschaft der IHK Siegen. Sorgen bereiten den Unternehmen der Logistikbranche vor allem der demografische Wandel und veränderte Einstellungen der nachrückenden Fachkräftegenerationen. Beides macht es zunehmend schwierig, in Zeiten geringer Arbeitslosigkeit und voller Auftragsbücher geeignetes Personal zu finden.

Besonders problematisch ist die Lage bei den Berufskraftfahrern. „Wir verlieren bundesweit rund 30.000 Fahrer im Jahr, die in Rente gehen. Deutlich mehr als ein Viertel der derzeit eingesetzten Fahrer sind älter als 55 Jahre. Allein durch diesen Effekt fehlen abzüglich der ‚Neuzugänge’ etwa 10.000 Kraftfahrer im Jahr”, erläuterte Dr. Christoph Kösters. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) e.V. zeigte den mehr als 40 anwesenden Unternehmensvertretern auch gleich auf, wo die konkreten Herausforderungen für die Logistik- und Verladewirtschaft liegen.

Aufschlussreich werden hier auch die Ergebnisse einer noch laufenden Fahrerbefragung des Bundesverbandes Güterkraftverkehr und Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. sein. Faktoren wie das weiter verbesserungswürdige Image des Berufes und die Abwesenheitszeiten dürften von Bedeutung sein. Der Verband arbeite mit einer Vielzahl an Projekten und politischen Aktivitäten für verbesserte Rahmenbedingungen. Dazu gehörten beispielsweise eine intensivere Information zu den Berufen der Logistikbranche schon in Schulen und die Erschließung neuer Bewerbergruppen. Unerlässlich sei aber auch, dass die Betriebe noch stärker Ausbildungsplätze anböten, auch wenn dies nicht immer einfach sei.
Für Ernüchterung sorgten häufig aber auch die gewandelten inneren Einstellungen nachrückender Generationen, betonte Dr. Christoph Kösters: „Viele junge Menschen erleben heute nach dem Berufseintritt einen ‚Realitäts-Clash’. Von verschiedener Seite als Herausforderung für die Unternehmen werden in der allgemeinen öffentlichen Diskussion die Präferenzen der aktuellen ‚Generation Z’ (ab Geburtsjahr 1995) gesehen. Allerdings zeigten erste Untersuchungen hierzu, dass bei derartigen Bewertungen die Fremdeinschätzung durch andere und die Selbsteinschätzung nicht übereinstimmen. Vielmehr kommen die Studien zu dem Ergebnis, dass es durchaus eine Nähe zu den Wertvorstellungen der Babyboomer (1950-1965) gibt.”

Der Soziologe Dr. Olaf Behrend (Universität Siegen) sieht den Grund für den Einstellungswandel in der Auflösung der bürgerlichen Gesellschaft. Vor allem die 68er-Kulturrevolution sei hierfür maßgeblich gewesen. Die an persönliche Beziehungen gekoppelte Verantwortung sei zunehmend durch eine an Institutionen gebundene funktionale Verantwortung ersetzt worden. „Die Frage nach dem Sinn des Lebens wird daher eher darin gesehen, formale Bildungsabschlüsse zu erreichen, Karriere zu machen und möglichst keine verpflichtende Verantwortung zu übernehmen.” Eine wesentliche Folge sei die Zunahme höherer Schulabschlüsse. Dabei sei es gesellschaftspolitisch dringend geboten, das duale Ausbildungssystem gegen den Akademisierungstrend entschlossen zu verteidigen.

Kennzeichnend für die Vertreter der „Generation Y” (Jahrgänge 1980 bis 1995, auch: „Biographie-Unternehmer” oder „Generation Bachelor”) seien ein Verantwortungs- und Praxisverlust, ein kaum vorhandenes Krisenbewusstsein und eine bemühte Vorurteilslosigkeit, die aus Sicht der Älteren das Urteilsvermögen beeinträchtigten. Arbeitgeber müssten sich zudem darauf einstellen, dass „alte Werte”, wie Hierarchiebewusstsein, ständige Verfügbarkeit und fremdbestimmte Arbeit auf Ablehnung stießen. In Umfragen beteuerten Angehörige der Generation, dass ihnen ethisches Verhalten wichtiger als Geld sei, was sich freilich in der Praxis nicht selten anders darstelle. Bei den nach 1995 Geborenen („Generation Z”, auch: „Generation Ich” oder „Generation Ganztag”) sei zudem die Multitaskingfähigkeit besonders ausgeprägt, allerdings ließen Fokussierungs- und Konzentrationsfähigkeit spürbar nach.

Ein Fachkräftepotenzial könnte bei Einwanderern und deren Kindern liegen. „Viele von ihnen gehören traditionell geprägten Familienstrukturen an und sind meist sehr verlässlich.” Arbeitskreisvorsitzender Michael Köhl (Krombacher Brauerei Bernhard Schadeberg GmbH & Co. KG) unterstrich, wie wichtig es für Arbeitgeber sei, ein soziales Umfeld zielgerichtet zu schaffen und zu gestalten, in dem sich junge Fachkräfte wohl fühlten. Mehr verbindliche Zuwendung schaffe mehr Bindung.

Stephan Jäger (IHK) untermauerte dies mit den Erkenntnissen aus Abiturienten- und Studierendenbefragungen der IHK Siegen. Sich auf den gewandelten Fachkräftemarkt einzustellen, sei eine grundlegende strategische Aufgabe. Hier müsse die gesamte Unternehmenskultur angepasst werden. Die IHK begleitet die heimischen Mitgliedsbetriebe hierbei mit der Servicestelle Fachkräftesicherung und einem umfassenden Informationsangebot.

Quelle: Industrie- und Handelskammer Siegen

Veröffentlicht von:

Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou ist Mitglied in der MiNa-Redaktion und schreibt über Wirtschaftsverbände, Macher im Mittelstand, Produkte + Dienstleistungen, Digitale Wirtschaft und Familienunternehmer.
Mail: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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