Neue Wohnungen? Ja gerne – aber doch bitte nicht bei uns!
Wenn der Bau-Turbo auf die Realität trifft

Eine Kolumne von Bernd Patzke
Wohnungsnot? Ja, klar, das ist ein echtes Problem. Neue Wohnungen? Sehr gern, brauchen wir, dringend. Aber doch bitte nicht hier. So lässt sich die gesellschaftliche Haltung vielerorts zusammenfassen, wenn es um neue Bauprojekte geht. Da können Planungsverfahren beschleunigt, Vorschriften gelockert und Bauherren motiviert werden, wie sie wollen: Wenn vor Ort der politische Wille fehlt und Anwohner mobil machen, bleibt das Baugrundstück ein Wunschtraum.
Die Bundesregierung will nun Tempo machen. Der sogenannte „Bau-Turbo“ soll Kommunen erlauben, schneller zu genehmigen. Doch die eigentlichen Bremsklötze liegen nicht im Baugesetzbuch, sondern oft auf der Ebene der Nachbarschaft. Wo neue Wohnungen entstehen sollen, melden sich oft jene zu Wort, die Veränderung fürchten. Der Verlust von Grünflächen, mögliche geänderte Mieter- und Sozialstrukturen, mehr Verkehr und Lärm oder eine nicht mehr ausreichende soziale Infrastruktur werden dann gerne als Argumente angeführt. Es gibt immer gute Gründe, warum ausgerechnet dieses oder jenes Projekt nicht passt. „Wir brauchen Wohnungen!“ heißt es überall. Nur eben nicht vor der eigenen Haustür. Sankt Florian lässt grüßen.
Es ist an der Zeit, dass wir die gesellschaftliche Verantwortung für Wohnraum nicht immer nur an die Bauwirtschaft delegieren. Es braucht Mut in den Rathäusern, Planungssicherheit für Unternehmen – und ehrliche Debatten über das, was Nachbarschaften aushalten können und müssen. Die Wohnungskrise ist nicht nur eine Frage von Genehmigungsfristen, sondern auch von Haltung. Hier ist die Politik ebenso gefordert wie bei der Reform von Bauvorschriften und der Digitalisierung der Verwaltung.