Unternehmerwissen

Wo Nachfolger fehlen, sterben ganze Ökosysteme

Interview mit Thorsten Luber: „Es braucht einen Plan“

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Die deutsche Wirtschaft befindet sich nicht nur in einer Rezession, sondern sie hat zwei strategische Herausforderungen zu meistern, die beide mit dem demografischen Wandel zusammenhängen. Da ist zum einen der Fachkräftemangel, der inzwischen in einigen Betrieben Wachstum und Innovation hemmt, und zum anderen die Nachfolgeproblematik. Hunderttausende Unternehmer sind in einem Alter, in dem sie an ihre Nachfolge denken müssen. Doch wo Nachfolger fehlen und Übergaben scheitern, gehen nicht nur einzelne Betriebe verloren, sondern mit jedem ein Ökosystem, das häufig mehr Verlierer kennt als nur einen Unternehmer mit wenigen Arbeitnehmern.

Die Mittelstandsnachrichten sprachen mit dem MiNa-Kolumnisten und Nachfolge-Experten Thorsten Luber über die Dimension und die Folgen.

Herr Luber, wie dramatisch ist das Thema Nachfolge aktuell?

In den nächsten zehn Jahren stehen rund 500.000 Unternehmen vor der Frage, ob sie einfach abschließen oder ob jemand anders das Ruder übernimmt. Viele kleine Unternehmen werden einfach leise verschwinden. Das kann jetzt schon jeder beobachten, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Hier ein Handwerker, da ein Einzelhändler oder ein Restaurant. Viele geben wegen der aktuellen Marktlage auf, viele aber auch wegen fehlender Fachkräfte oder fehlender Nachfolge. Die Themen sind eng miteinander verknüpft. Dieser Trend wird sich fortsetzen und beschleunigen.

Wie wird sich das auf die Wirtschaft insgesamt auswirken?

Man muss wissen, dass ein erfolgreicher Nachfolgeprozess zwischen drei und fünf Jahren dauert. Viele Unternehmer machen derzeit noch weiter, weil sie entweder keinen Nachfolger finden oder aber, weil sie sich ihren Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern verpflichtet fühlen. Aber ewig weitermachen kann keiner. Das Thema wird sich also verstärken. Aktuell erleben wir, dass wir länger auf einen Handwerker warten müssen, der Lieblingsitaliener seine Öffnungszeiten reduziert oder wir bestimmte Produkte nicht mehr in der eigenen Nachbarschaft kaufen können. Überträgt man das auf komplexe Lieferketten, werden bald Spezialteile fehlen, Maschinen in größeren Intervallen gewartet oder Prozesse ins Ausland verlagert. Manches lässt sich mit KI, Robotern und Digitalisierung lösen, aber eben nicht alles. Und viele ältere Unternehmen, die ohnehin an den Verkauf und die Nachfolge denken, investieren nicht mehr. Das macht dann die Nachfolge umso schwieriger und behindert das Wachstum zusätzlich. Wir sind eine alternde Gesellschaft, haben aber hohe Ansprüche und Standards.

Wie lässt sich dieser Trend aufhalten oder umkehren? Was müsste geschehen, damit mehr Unternehmen einen Nachfolger finden?

Auf der politischen Ebene müsste eine Strategie her. Welche Branchen und welche Zukunftstechnologien sollen in Deutschland in den kommenden zehn Jahren führend werden? Es fehlen Cluster und eine Perspektive, an der sich Investoren orientieren können. Der große Deutschland-Plan ist nicht erkennbar. Zu diesem würde auch gehören, Unternehmertum zu fördern und steuerliche sowie bürokratische Lasten zu reduzieren. Derzeit macht es keinen Spaß, Pionier zu sein, etwas zu wagen oder ins Risko zu gehen.

Und insbesondere Unternehmer mit Mitte 50, Anfang 60 müssen belohnt werden, wenn sie investieren. Der Investitions-Booster der Bundesregierung kann ein kleiner Anfang sein, ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Unternehmen, die keine digitalen Prozesse entwickelt haben, keine digitalen Geschäftsmodelle verfolgen und nicht den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen, werden es schwer haben, einen Nachfolger zu finden.

Letztlich müsste mehr Gründergeist geschaffen werden, wobei hier nicht nur Startups gemeint sind. Man muss nicht immer etwas Neues gründen, man kann auch kaufen und bestehende Unternehmen transformieren. Die haben dann schon Kunden, Mitarbeiter und ein bestehendes Ökosystem. Hier sollte das Bewusstsein gestärkt werden – bei den Beratungsstellen, aber auch in der Wirtschaft.

Was meinen Sie mit Ökosystem?

Ein Unternehmen hat ja nicht nur Kunden und Mitarbeiter, die von einer Betriebsaufgabe besonders betroffen sind. Es geht meist auch um Lieferanten, um die Standortgemeinde, dort ansässige Vereine und die soziale Infrastruktur, um Betriebe, die mittelbar von einem Unternehmen abhängen und um gesellschaftliche Netzwerke. Viele Unternehmer sind sozial engagiert und lokal verwurzelt. Je nach Unternehmensgröße und Produkt kommt da einiges zusammen. Und je größer ein Unternehmen, desto komplexer sind auch die Lieferketten. Jedes Unternehmen, das schließt, hinterlässt eine mehr oder weniger große Lücke. Der Nachfolger kann von diesen bestehenden Ökosystemen und Netzwerken profitieren. Dazu muss sie der Übergebende aber pflegen und als Wert erkennen. Übergeben werden eben nicht nur Maschinen und Werkzeuge, Produkte und Kundendatenbanken, Geschäftsmodelle und Bilanzen, sondern eben auch eine Kultur, eine Marke und die Integrität eines Unternehmens. Das muss man wissen, wenn man eine Nachfolge plant.

Welchen Beitrag können Berater hier leisten?

In erster Linie aufklären. Der Nachfolgeprozess beginnt rund drei Jahre vor der eigentlichen Betriebsübergabe, und zwar damit, die Braut hübsch zu machen, Prozesse zu optimieren, das Marketing anzupassen und die Investitionen in neue Technologien, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und soziales Kapital zu tätigen, die den Kaufpreis erhöhen und dem Käufer eine Zukunftsperspektive geben. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden für das, was wirklich Werte schafft und Werte darstellt.

Außerdem weiß ein guter Berater, wie eine Nachfolge organisatorisch, rechtlich, steuerlich, finanziell und strategisch abläuft – er hat das ja hunderte Male gemacht. Der Unternehmer übergibt in der Regel nur einmal im Leben. Und ein Berater hat die Kontakte, die helfen, einen geeigneten und potenten Nachfolger zu finden.

Was ist Ihr Rat an Unternehmer, die einen Nachfolger suchen?

Zum einen, früh genug zu beginnen. Es ist nie der richtige Zeitpunkt: mal ist zu viel Arbeit, so dass die Zeit fehlt, mal ist Flaute, dann fehlen die Ressourcen. Man muss beginnen und dem Thema Priorität einräumen. Eine Nachfolge braucht Zeit, ist komplex und macht sich nicht nebenbei. Deswegen sollten sich Unternehmer mit der Entscheidung nicht unbegrenzt Zeit lassen. Und sie sie sollten sich Unterstützung suchen. Gute Berater aus den Bereichen Nachfolge, Recht und Steuern sind rar und müssen langfristig eingebunden werden. Das Thema drängt mehr als manche denken.

Über Thorsten Luber

Thorsten Luber ist Diplom-Kaufmann sowie Gründer und Inhaber von Luber Consulting, einer spezialisierten Strategieberatung für den Mittelstand in der DACH-Region. Die Beratungsgebiete von Luber Consulting sind Existenzgründung, Wachstum, Strategie sowie Unternehmensnachfolge und Unternehmensverkauf. Thorsten Luber ist Gründer der Nachfolgeinitiative www.nachfolge-chance.de und als „Top-Experte“ durch das „Erfolg Magazin“ ausgezeichnet. Er hat unter anderem Spitzenunternehmen wie BMW, BASF, DHL, Fresenius Medical Care und Boehringer Ingelheim in strategischen Projekten beraten und begleitet. Das in Bonn ansässige Beratungsunternehmen hat mehrere Mitarbeiter und legt besonderen Wert auf eine nachhaltig wirksame Begleitung in Projekten. Weitere Informationen unter https://luber-consulting.com.

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