Fachkräftemangel – Interview mit HR-Experte Reiner Huthmacher
Was kann der deutsche Mittelstand besser machen?

Berlin – Im Anschluss an die Veranstaltung „Knowledge & Tea“ vom Wirtschaftsnetzwerk Deutschland, die am 22. April 2025 im Berlin Capital Club in der Mohrenstraße stattfand, führte Mittelstand Nachrichten Gründer und Herausgeber Sven Oliver Rüsche ein Gespräch mit Reiner Huthmacher zum Thema Fachkräftemangel.
Reiner Huthmacher: Provokante These zum Thema Fachkräftemangel
Reiner Huthmacher vertritt die provokante These, dass es den Fachkräftemangel in Wirklichkeit nicht gibt. Seiner Ansicht nach liegt die Herausforderung vielmehr darin, als Arbeitgeber attraktiver zu werden und sich gezielt zu einem „Fachkräftemagneten“ zu entwickeln.
In seinem Impulsvortrag beim exklusiven WND-Event (Wirtschaftsnetzwerk Deutschland) präsentierte Huthmacher praxisnahe und unmittelbar umsetzbare Lösungsansätze. Im Folgenden lesen Sie, welche Erkenntnisse und Empfehlungen jeder HR- Verantwortliche und Geschäftsführer kennen sollte:
Mittelstand Nachrichten: Herr Huthmacher, der Fachkräftemangel ist derzeit eines der drängendsten Themen im Mittelstand. Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Hebel, um diesem Problem zu begegnen?
Reiner Huthmacher: Die nachhaltige Mitarbeiterbindung ist für mich der entscheidende Schlüssel. Unternehmen, die attraktiv für ihre bestehenden und potenziellen Mitarbeitenden sind, können sich die besten Bewerber aussuchen und sparen sich teure und aufwändige Rekrutierungsprozesse. Es geht darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich Menschen langfristig wohlfühlen und entwickeln können.
Mittelstand Nachrichten: Sie sprechen häufig von der „übersehenen Zielgruppe“ der Mitarbeiter mittleren Alters. Warum liegt Ihnen diese Gruppe besonders am Herzen?
Reiner Huthmacher: Arbeitnehmer mittleren Alters tragen im Mittelstand zu einem Großteil der Wertschöpfung bei. Dennoch werden sie in der öffentlichen Debatte und in der Personalpolitik oft übersehen. Diese Mitarbeitenden haben meist große Erfahrung, sind loyal und übernehmen viel Verantwortung. Es lohnt sich, Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung auch auf deren Bedürfnisse auszurichten – etwa durch betriebliches Gesundheitsmanagement, flexible Arbeitszeitmodelle oder Zusatzleistungen bei besonderen Herausforderungen.
Mittelstand Nachrichten: Viele Unternehmen setzen auf Einzelmaßnahmen wie Nettolohnoptimierung. Warum reicht das Ihrer Meinung nach nicht aus?
Reiner Huthmacher: Ich bin kein Fan von Nettolohnoptimierung. Denn erstens sind Einzelmaßnahmen selten nachhaltig wirksam, und zweitens sind die Möglichkeiten nur wenig bekannt, so dass es hier in der Regel teure Berater erfordert. Was Sinn machen würde, wäre stattdessen eine deutliche Erhöhung der Sachbezugsfreigrenze, die jeder Unternehmer und jede Unternehmerin kennt und in deren Rahmen man Beschäftigten attraktive Angebote zur Mitarbeitergewinnung und zur Mitarbeiterbindung machen kann.
Was aber wirklich zählt, ist ein individuell geschnürtes Maßnahmenpaket, das soziale, ökonomische und private Faktoren berücksichtigt. Nur so werden Unternehmen zu echten Fachkräftemagneten. Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, der auf die spezifischen Bedürfnisse und Lebensphasen der Mitarbeitenden eingeht.
Mittelstand Nachrichten: Welche Rolle spielen Generationendialog und Mentoring in Ihrem Konzept?
Reiner Huthmacher: Sie sind zentrale Erfolgsfaktoren. Der Dialog zwischen den Generationen fördert den Wissenstransfer, die Motivation und die langfristige Bindung ans Unternehmen. Mentoring-Programme helfen, jüngere und ältere Mitarbeitende gleichermaßen zu gewinnen, zu binden und zu begeistern. So entsteht ein starkes Miteinander, das dem Unternehmen Stabilität und Innovationskraft gibt.
Mittelstand Nachrichten: Was empfehlen Sie Unternehmen konkret, um ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern?
Reiner Huthmacher: Neben klassischen Absicherungs- und Vorsorgekonzepten rate ich zu einem starken Employer Branding und maßgeschneiderten Benefits. Dazu zählen Gesundheitsvorsorge, Altersabsicherung, Karriereförderung und neue Arbeitszeitmodelle. Wichtig ist, dass diese Angebote zu den Lebensphasen und Bedürfnissen der jeweiligen Belegschaft passen und nicht „von der Stange“ kommen.
Mittelstand Nachrichten: Sie bieten Seminare und Coachings an. Was erwartet die Teilnehmer dort?
Reiner Huthmacher: In meinen Seminaren, etwa „Das kleine 1×1 der Mitarbeiterbindung und Mitarbeitergewinnung“, vermittle ich praxisnahe und individuell kombinierbare Maßnahmen zur Steigerung von Motivation und Mitarbeiterbegeisterung. Die Inhalte reichen von Employer Branding, Benefits, betriebliches Gesundheitsmanagement bis hin zu Recruiting und Arbeitgeberkommunikation. Der Fokus liegt immer auf sofortiger Umsetzbarkeit und nachhaltiger Wirksamkeit.
Mittelstand Nachrichten: Wie unterscheidet sich Ihre Arbeit von klassischer Beratung?
Reiner Huthmacher: Ich verstehe mich als Sparringspartner mit Umsetzungs- und Geling-Garantie. Das heißt, ich begleite Unternehmen aktiv bei der Umsetzung der Maßnahmen – gemeinsam mit meinem Expertennetzwerk. Ziel ist es, Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gemeinschaft zu stärken und nicht nur kurzfristige Lösungen zu bieten.
Mittelstand Nachrichten: Ihre Empfehlung für den Mittelstand in einem Satz?
Reiner Huthmacher: Wer als Mittelständler gezielt auf die Bedürfnisse aller Mitarbeitergruppen eingeht, individuelle Benefits entwickelt und eine attraktive Arbeitgebermarke aufbaut, wird zum echten Fachkräftemagneten und begegnet dem Fachkräftemangel nachhaltig und erfolgreich.
Mittelstand Nachrichten: Vielen Dank für das informative Interview, Herr Huthmacher!