Purpose und Wahrheit
Den Worten einen Sinn geben – und nachhaltig handeln

Eine Kolumne von Jürgen Linsenmaier
Purpose ist das neue Modewort in Unternehmen. Angeblich suchen Bewerber, vor allem die der Generation Z, nach Purpose. Und immer mehr Mitarbeiter suchen bei ihrer Beschäftigung nach Purpose. Und Kunden fragen nach Purpose, wollen hinter die Kulissen eines Produktes schauen, fragen nach Lieferketten und Umweltstandards. Anscheinend sind wir eine echte Purpose-Gesellschaft, immer auf der Suche nach Sinn und stets dabei, den Dingen auf den Grund zu gehen und vermeintliche Widersprüche aufzudecken.
Ja, das Bewusstsein ist gestiegen. Tatsächlich stellen sich viele die Sinnfrage und möchten mehr sein als bezahlte Tätigkeitsverrichter, dumme Konsumenten oder anspruchslose Informationsempfänger. Ob dies aber tatsächlich für die Mehrheit gilt, darf bezweifelt werden.
Postings statt Strategie
Egal, denn was wichtig ist, bestimmt die Avantgarde. Und das sind nun mal die Purpose-Sucher und Aufgeklärten. Also liefern Unternehmen: wohlfeile Unternehmensvisionen von einer nachhaltigen Welt und dem eigenen Beitrag zu ebenjener, Verhaltenskodizes für Mitarbeiter und Lieferanten, die weit über übliche Compliances hinausgehen, beschwören ihre soziales Engagement, ihre Umweltmaßnahmen und CO2-Kompensationen, schmücken sich und ihre Produkte mit mehr oder weniger seriösen Güte- und Nachhaltigkeitssiegeln und vor allem posten sie was das Zeug hält in den sozialen Medien.
Kein Social-Media-Redaktionsplan ohne den CEO im Hilfseinsatz für Mensch und Umwelt, einer Siegelübergabe an die Geschäftsleitung oder einem Spendenscheck. Alles gut, richtig und sinnvoll. Denn diese Posts zeigen zumindest, dass gehandelt wird. Vielleicht nicht immer strategisch, aber doch immerhin aktionistisch. Besser etwas tun als alles unterlassen.
Wer sich Purpose auf die Fahnen schreibt, muss auch liefern, seinen Anspruch unter Beweis stellen. Weil: Es schauen ja alle hin, also die Avantgarde der Sinnsucher zumindest. Und die Social-Media-Öffentlichkeit. Und wer weiß wer noch.
Purpose-Aktionismus oder echte Mission?
Dieser Purpose-Aktionismus ist jedoch ebenso flüchtig wie oberflächlich. Es ist Purpose-Inszenierung, was vielleicht dem einen oder anderen wirklich Aufgeklärten und wahrhaftigen Sinnsucher auffällt.
Echte Verantwortung sieht anders aus und bleibt kein inszeniertes Stückwerk. Wer wirklich eine Vision hat und einer Mission folgt, hat seine Verantwortung definiert – und beschrieben, wie man ihr gerecht wird. Damit wird Verantwortung strategisch – und tatsächlich nachhaltig. Soziales, gemeinnütziges, ökologisches und wirtschaftliches Engagement werden Teil der Unternehmenskultur, von Investitionsentscheidungen sowie von langfristigen Markt- und Wachstumsszenarien.
Sinn oder Leicht-Sinn?
Purpose ist nur zunächst nur ein leeres Wort. Nicht selten verkommt es zur Floskel. Erst wenn es selbst einen inneren Sinn erhält, kann es Kraft entfalten. Ehrbare Sprüche an den Wänden ersetzen nicht den ehrbaren Kaufmann. Dessen Purpose zeigt sich im täglichen Umgang mit seinen Geschäftspartnern, Mitarbeitern, Kunden und anderen Stakeholdern. Schrille Posts beweisen keinen Purpose, sondern allenfalls Social-Media-Kompetenz. Der schnelle Like ersetzt nicht das verantwortungsvolle Handeln.
Purpose darf und muss tiefer gehen und Eingang in das Wesen eines Unternehmens finden. Nur dann ist er ein Wert und bekommt tatsächlich seinen Sinn. Nur, weil etwas Sinn heißt, ist noch kein Sinn drin. Wer nur postet und Purpose inszeniert, betreibt Leicht-SINN und handelt kurz-SINN-ig.
Handlungen zählen mehr als Worte
Unternehmen mit Purpose, zeigen Haltung. Sie setzen sich Ziele in Sachen Nachhaltigkeit und verfolgen eine transparente Nachhaltigkeitsstrategie. Sie agieren nicht mal hier und mal da wegen eines guten Fotos, sondern begreifen ihr Engagement als Agenda – eine Agenda, die verschiedene Maßnahmen zu einem Gesamtkonzept bündelt.
Gerne dürfen dann die einzelnen Maßnahmen gepostet und medial inszeniert werden. Ein Unternehmen darf, ja muss Vorbild sein, wenn es eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt. Vorbild wird man aber nur, wenn der Sinn hinter dem Purpose-Gedanken tatsächlich erkennbar und objektiv wird. Alles andere ist Green Washing.
Am wichtigsten aber ist, ins Handeln zu kommen – konkret und mit Nutzen. Gerne auch in kleinen Schritten. Vielleicht gelingt es dem einen oder anderen Unternehmen aus seinen Einzelaktionen etwas großes Ganzes zu formen und SINN-Stifter zu werden.
Autorenprofil:
Jürgen Linsenmaier ist MiNa-Kolumnist, Experte für Nachhaltigkeit, Vortragsredner, mehrfacher Buchautor, Initiator des Magazins „Wirtschaft & Ethik“, Gründer der ETHIK SOCIETY sowie leidenschaftlicher Werber für unternehmerische Freiheit mit nachhaltiger Verantwortung. Er beweist täglich, dass nachhaltiges Handeln und wirtschaftlicher Ertrag kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille sind. Jürgen Linsenmaier hat sich zum Ziel gesetzt, Unternehmerinnen und Unternehmern eine pragmatische Ethik und Nachhaltigkeit näher zu bringen – ein Handeln, das jeder in seinem Betrieb umsetzen kann und das gleichermaßen den wirtschaftlichen Interessen und der Gesellschaft dient. Seine große Idee ist, Ökonomie mit Ökologie und sozialen Aspekten so zu vereinen, dass Unternehmen erfolgreich sind.
Seinen Erfahrungsschatz sammelte Jürgen Linsenmaier in seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer und Vorstand eines Medienhauses. Jürgen Linsenmaier ist ein Mann aus der Praxis für die Praxis. In seinen Vorträgen und Workshops begeistert er die Zuhörer mit seiner authentischen und praxisorientierten Art der Vermittlung gelebten Erfolgswissens – pragmatisch ethisch, reputationsfördernd und umfassend verantwortungsbewusst.