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Nur 10 Prozent des Einzelhandels geben an, barrierefrei zu sein

Berlin/Dresden – Der Informationsdienst für lokales Shopping Marktjagd hat die 280.000 Einzelhandelsfilialen in seiner Datenbank in Hinblick auf ihre Barrierefreiheit ausgewertet. Demnach sind in Deutschland im Durchschnitt nur 10 Prozent aller Filialen von den Händlern als barrierefrei gekennzeichnet. Das heißt im schlimmsten Fall, dass behinderte Menschen im Rollstuhl, Familien mit Kinderwagen und ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen vom Besuch dieser Geschäfte ausgeschlossen sind.

Marktjagd liefert Verbrauchern via App und im Internet Auskunft über die Geschäfte in ihrer Umgebung. Dazu gehören neben aktuellen Prospekten auch Öffnungszeiten, Kontaktmöglichkeiten und Informationen zur Barrierefreiheit.

Quelle: Hot-Dot
Quelle: Hot-Dot

Berlins Geschäfte am wenigsten behindertenfreundlich

Im Vergleich der Bundesländer bildet Berlin mit einer Quote von gerade einmal 6,5 Prozent barrierefreien Geschäften das Schlusslicht. Ähnlich schlecht schneiden Sachsen mit 6,9 Prozent und Hamburg mit 7,8 Prozent ab. Verhältnismäßig viele barrierefreie Geschäfte gibt es mit jeweils 13,1 Prozent in Schleswig-Holstein und Bayern sowie in Niedersachsen mit 13 Prozent.

Bielefelder Geschäfte im Städtevergleich am häufigsten barrierefrei

Beim Städteranking der 35 größten deutschen Städte sticht Bielefeld mit 15,8 Prozent barrierefreien Filialen als am behindertenfreundlichsten heraus. Lübeck folgt erst mit 12,2 Prozent vor Magdeburg (12 Prozent), Karlsruhe (11 Prozent) und Rostock (10,1 Prozent). Hinten liegen Leipzig und Dresden mit jeweils unter 5 Prozent barrierefreien Filialen. Die Städte Saarbrücken, Würzburg und Stuttgart schneiden mit Quoten zwischen 5 und 6 Prozent fast ebenso schlecht ab.

Die Untersuchung zeigt außerdem, dass der Durchschnittswert an barrierefreien Filialen in den Städten mit 8,2 Prozent nochmal niedriger ist als der in den Bundesländern mit 10,1 Prozent. Dies lässt darauf schließen, dass Barrierefreiheit vorrangig in den deutschen Kleinstädten Anwendung findet. Während dort Geschäfte eher neu und somit meist auch barrierefrei gebaut werden können, besteht diese Möglichkeit in den Ballungsgebieten der Großstädte seltener und bereits existierende Ladenräume werden zu selten nachgerüstet.

Was sich behinderte Menschen vom Handel wünschen

Was heißt überhaupt Barrierefreiheit für die Betroffenen? Via Facebook hat Marktjagd behinderte Menschen danach gefragt, mit welchen unterschiedlichen Problemen sie beim Einkaufen in stationären Geschäften zu kämpfen haben und was sie sich wünschen.

Genannte Probleme:

  • Umdekorieren von Supermärkten und Umstellen von Produkten, die dann zum Beispiel Sehbehinderte schwer wiederfinden
  • Gestresstes Verkaufspersonal, das keine Zeit hat, persönlich zu helfen
  • Zu kleine Einkaufskörbe beziehungsweise keine Einkaufswagen, die für Rollstuhlfahrer geeignet sind

Genannte Wünsche:

  • Größere Umkleidekabinen, in die auch eine Begleitperson passt, breite Gänge und niedrige Regale beziehungsweise Kleiderständer, sodass auch Rollstuhlfahrer und kleinwüchsige Menschen alles gut erreichen können
  • Einkaufshilfe, die mit Zeit, Geduld und Verständnis zur Seite steht
  • Angebot für sehbehinderte Menschen, sich nach Ladenschluss einmal frei im Supermarkt bewegen zu können, um sich in Ruhe für spätere Einkäufe zu orientieren
  • Online-Angebot von stationären Geschäften: Blinde und sehbehinderte Menschen wissen gern vorab über die Auswahl der angebotenen Produkte Bescheid

Initiative “Generationenfreundliches Einkaufen” des HDE

Der Handel kennt die Probleme und ist bemüht, seine Filialen allen Kunden zugänglich zu machen. Die Initiative mit dem Siegel “Generationenfreundliches Einkaufen” vom Handelsverband Deutschland (HDE) will damit mehr Klarheit bei den Einkaufsmöglichkeiten auch für behinderte Menschen schaffen. “Das Siegel zeichnet Märkte aus, die den Einkauf für Menschen aller Altersgruppen und für Menschen mit Behinderung so angenehm und barrierearm wie möglich gestalten. Älteren Menschen soll genauso wie Rollstuhlfahrern oder jungen Eltern mit Kinderwagen ein komfortabler Aufenthalt ermöglicht werden”, so Christhard Deutscher, Leiter Unternehmenskommunikation der Edeka Südwest. Das Unternehmen unterzieht eine Vielzahl seiner Märkte dieser Zertifizierung. Weiter sagt er: “Die Märkte müssen bestimmte Kriterien – wie beispielsweise breite und ebenerdige Eingänge, Sitzgelegenheiten, klare Ausschilderungen der Produktbereiche, rutschfesten Boden, angenehme Regalhöhen, Babywickelraum und Behindertentoiletten – erfüllen, die dann von einem Auditor der Handelsverbände geprüft werden.” Mitte 2016 hatten sich so knapp über 10.000 Läden verschiedenster Unternehmen deutschlandweit zertifizieren lassen.

Bleibt als Alternative nur Online-Shopping? Was der Einzelhandel tun kann

Benjamin Thym, Geschäftsführer der Offerista Group, die den Dienst Marktjagd betreibt: “Da barrierefreie Läden offensichtlich die Ausnahme sind, können sich Einzelhändler hier besonders gut vom Wettbewerb abheben und mehr Kunden erreichen. Über Fahrstühle, Rampen, breite Gänge, große Preisschilder und persönlichen Service freuen sich nicht nur behinderte Menschen. Hier kann der stationäre Handel gegenüber dem Onlinehandel punkten.”

Apps und Location-based Services helfen beim barrierefreien Einkaufen

Moderne Technologien, wie die Sprachausgabe von Texten oder Möglichkeiten der Indoor-Navigation, die innerhalb des Geschäfts direkt zum gewünschten Produkt leiten, erleichtern behinderten Menschen in vielen Situationen den Alltag. Auch die Shopping- und Produktguides der Offerista Group, Marktjagd und barcoo, bieten dahingehend Mehrwert. So zeigen die App und das responsive Online-Portal von Marktjagd, ob ein Geschäft barrierefrei ist. Die Schwester-App barcoo stellt nach dem Scan des Barcodes die oft klein gedruckten Inhaltsangaben in vergrößerter Form dar. Auch können Nutzer sich diese über die Sprachausgabe vorlesen lassen, was für Sehbeeinträchtigte hilfreich sein kann. Die Stiftung Warentest hat barcoo so kommentiert: „Viele Produkte haben einen Strichcode. Dann ist die App praktisch. Wie schnell Nutzer den Code finden, hängt von Routine und verbliebener Sehkraft ab.”

Quelle: Marktjagd

Veröffentlicht von:

Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou
Despina Tagkalidou ist Mitglied in der MiNa-Redaktion und schreibt über Wirtschaftsverbände, Macher im Mittelstand, Produkte + Dienstleistungen, Digitale Wirtschaft und Familienunternehmer.
Mail: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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