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„Einkauf 2020 – Aufstieg zur Schlüsselposition”

Dornbirn/Frankfurt – Die Digitalisierung der Industrie stellt auch für den Wirtschaftsraum Bodensee eine große Herausforderung dar. Der Beschaffungsprozess der Unternehmen in den Anrainerstaaten Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz ist von der fortschreitenden digitalen Vernetzung ebenso betroffen wie die gesamte Supply Chain. Angesichts dieser Dimensionen ist Innovationsmanagement als strategisches Element im Einkauf von entscheidender Bedeutung. Dieses Fazit zogen die Referenten des 8. Internationalen Bodensee-Forums für Einkauf und Materialwirtschaft am 21. April in Dornbirn/Vorarlberg.

„Die Digitalisierung der Wirtschaft fordert vor allem die Führungskräfte, insbesondere in Einkauf und Logistik, heraus. Es herrscht eine große Verunsicherung über die zu erwartenden Auswirkungen von Industrie 4.0 vor. Immerhin sind damit zum Teil beträchtliche Investitionen verbunden”, hob Linda Becker, Gesellschafterin und Partnerin der Münchner Beratungsgesellschaft Labbé & Cie. GmbH, hervor. Führungskräfte hätten zudem mit permanenter Informationsflut, hohem Kommunikationstempo und einer wachsenden Komplexität der Arbeitsprozesse zu kämpfen. Für sie komme es darauf an, das wirklich Relevante aus dem Nachrichtenstrom für sich, aber auch für ihre Mitarbeiter, herauszufiltern. Angesichts des hohen Taktes an E-Mails und Web-Content seien erfolgreiche Manager gut beraten, „immer mal das Tempo herauszunehmen”. Das helfe nicht nur ihnen selbst, sondern auch ihren Teams. Erfolgreiches Führen in der digitalisierten Wirtschaft setze zunehmend Mitgestalten und Mitentscheiden der Mitarbeiter voraus. Becker abschließend: „Weisung und Kontrolle sollten zugunsten eines agilen Netzwerkes für alle Teammitglieder in den Hintergrund treten.”

„Das Zusammenwachsen von Sach- und Dienstleistungen stellt an die Beschaffung neue Herausforderungen”, informierte Prof. Dr. Michael Eßig, Lehrstuhlinhaber für Materialwirtschaft und Distribution/Logistik an der Universität der Bundeswehr, München. Mit Performance Based Contracting (PBC) in der Industrie steige die Relevanz ganzheitlicher Instrumente zur Entwicklung, Beurteilung und Optimierung komplexer Servicekonzepte in langfristigen Supply-Chain-Kooperationen. PBC sei zudem der Schlüssel zur Beschaffung komplexer Dienstleistungen und ermögliche die Integration der Investitionsgüterhersteller in die Wertschöpfung der Abnehmer. Das Bewerten der Leistung des Lieferanten erfolge nicht ausschließlich über dessen Output, sondern auch über den des Abnehmers. Ein Beispiel dafür seien Flugzeugtriebwerke, bei denen nicht mehr Triebwerk und Instandhaltungsleistung separat gekauft werden, sondern der Lieferant für eine bestimmte Verfügbarkeit (beispielsweise Zahl der Flugstunden) variabel vergütet werde. PBC-Betreibermodelle versprechen laut Eßig eine klare Verantwortung des Lieferanten für ein umfangreiches Leistungsbündel, einfache Lösungen durch klare Schnittstellen und Transparenz bezüglich der Leistung und des Preises. Allerdings veränderten sich durch PBC auch das Geschäftsmodell und die Lieferantenbeziehung mit zum Teil enormen Risiken und Herausforderungen.

„Im dynamischen Umfeld des Projektgeschäftes leistet der Einkauf einen wichtigen Wertbeitrag”, sagte Hubert Scharbach, Head of Supply Chain Management der Siemens Schweiz AG. Eine Früheinbindung des Einkaufs sei die Basis zur Durchführung einer effizienten Beschaffung. So könne er seiner Rolle als Schnittstellenmanager am besten gerecht werden. Der Mehrwert des Einkaufs gehe weit über die reine Preisverhandlung hinaus. Er spiele eine wesentliche Rolle im Angebotsprozess, indem er alle Risiken bei der Beschaffung transparent mache und back-to-back-Vereinbarungen mit den Lieferanten sichere. Deshalb sei der Wertbeitrag des Einkaufs Grundlage dafür, am Ende im Bieterrennen die Nase vorn zu haben. Siemens erwirtschafte heute rund 50 Prozent seines Umsatzes im Projektgeschäft. Scharbach zufolge darf der Wertbeitrag des Einkaufs dabei nicht auf den monetären Aspekt beschränkt werden. Bereits im Jahre 2000 sei mit „PM@Siemens” eine Standardmethodik eingeführt worden, in welcher auch die Rolle und Aufgaben des Einkaufs klar definiert sind. Sie sei laut Scharbach „unsere Antwort auf die Herausforderungen im dynamischen Umfeld des Projektgeschäftes”. Der PM@Siemens-Prozess beinhalte definierte Meilensteine, Projektphasen; er diene gleichzeitig dem gemeinsamen Verständnis aller Projektteilnehmer.

„Das Zusammenspiel von Einkauf und Innovation ist der Schlüssel, um Spitzenleistungen gemeinsam mit den Lieferanten für unser Unternehmen erzielen zu können. Angesichts der wachsenden Globalisierung der Wirtschaft gewinnt Innovationsmanagement als strategisches Element im Einkauf an Bedeutung”, betonte Silke Sorger, Head of Purchasing der Infineon Technologies Austria AG, Villach. Dazu gehöre auch, das Qualifikationsprofil des Einkäufers an die neuen Herausforderungen anzupassen. Forschung und Entwicklung im engen Schulterschluss mit den verschiedenen Produktionsprozessen werden nach Sorgers Meinung die Wettbewerbsfähigkeit und das wirtschaftliche Wachstum der europäischen Unternehmen nachhaltig stärken. Sie schränkte allerdings ein, dass Innovation von einem einzelnen Unternehmen nicht vorangetrieben werden kann. Dazu seien vielmehr exzellente Geschäftspartner, einschließlich mittelständischer Betriebe und Universitäten, sowie ein professionelles Lieferantenmanagement erforderlich. Sorger: „Der Einkauf ist in diesem Zusammenhang das Key Interface zwischen allen Gliedern der Lieferkette.”

„Die digitale Revolution erfordert neue Formen der Zusammenarbeit, der Mitarbeiterführung und der Auftragsbearbeitung im Unternehmen. Gleichzeitig müssen sich die Firmen miteinander vernetzen, um die Vorteile von Industrie 4.0 nutzen zu können”, so Paul Hofmann, Vorstandsvorsitzender der BME-Region Bodensee-Oberschwaben. Damit sorgten sie nicht nur für einen immensen Innovationsschub, sondern blieben wettbewerbsfähig. „Das 8. Internationale Bodensee-Forum für Einkauf und Materialwirtschaft hat dazu wertvolle Denkanstöße geliefert”, so Hofmann weiter.

Die Veranstalter des diesjährigen Bodensee-Forums zogen eine positive Bilanz. Mit 150 Teilnehmern wurde zwar die Rekordzahl von 180 aus dem Jahr 2013 nicht ganz erreicht; dennoch war der Veranstaltungssaal im Tagungsgebäude des österreichischen Wirtschaftsförderungsinstitutes der Wirtschaftskammer Vorarlberg (WIFI) in Dornbirn fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Das größte Besucherkontingent stellte erneut die Schweiz einschließlich Liechtenstein, dicht gefolgt von Deutschland mit einer gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegenen Teilnehmerzahl.

Die Tagung wurde auch in diesem Jahr von der BME-Region Bodensee-Oberschwaben, dem Schweizerischen Fachverband für Einkauf und Supply Management (procure.ch) sowie dem Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ) organisiert. Save the Date: Das 9. Internationale Bodensee-Forum für Einkauf und Materialwirtschaft findet am 19. April 2016 in Dornbirn statt.

Veröffentlicht von:

Alexandra Rüsche
Alexandra Rüsche
Alexandra Rüsche gehört seit 2009 der Redaktion Mittelstand-Nachrichten an. Sie schreibt als Journalistin über Tourismus, Familienunternehmen, Gesundheitsthemen, sowie Innovationen. Alexandra ist Mitglied im DPV (Deutscher Presse Verband - Verband für Journalisten e.V.). Sie ist über die Mailadresse der Redaktion erreichbar: redaktion@mittelstand-nachrichten.de

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